Mittwoch, 10. August 2011

Hausbau in Thailand Teil 12: Anpassen in Thailand?



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Brief aus Deutschland

Lieber Manfred,
Ich lese regelmäßig in Deinen Blog Und ich bin erschüttert, was es da zu lesen gibt. Insgeheim hatte ich so etwas befürchtet, wollte Dir jedoch Deine Begeisterung nicht nehmen und nicht negativ orakeln. Diese Dinge, die Du beschreibst, geschehen in fast derselben Form auf unserem europäischen Kontinent. Betrug, nicht Einhaltung von Vereinbarungen, überzogene Kosten, Diebstahl etc....

So perfekt wie es in Deutschland meist funktioniert, habe ich noch aus keinem anderen Land erlebt!

Und nun bist Du in Asien – und dort ticken die Uhren noch einmal ganz anders. Eine nochmals total andere Mentalität, in der das Leben nur „Spaß“ machen muss und die Arbeit da ist, um den Spass zu gewährleisten.

Lieber Manfred, für Dich als absolut deutscher Perfektionist ist das eine fast unglaubliche Herausfoderung, an der Du zugrunde gehst, wenn Du nicht akzeptierst. Du wirst die Thai`s nicht ändern – es geht nur, wenn Du Dich anpasst.

An die langsame Lebensart, die nicht eingehaltenen Fristen und die Abweichungen in Deinen Plänen und Vorgaben.

DU MUSST UMDENKEN – sonst gehst Du zugrunde und Deine Familie verbaut sich sämtliche Kontakte, die sie bisher hatte.
Du kannst nicht unseren europäischen Lebens- und Arbeitsstil nach dort kopieren, Du musst akzeptieren – ob Du es willst oder nicht!


Hinsichtlich Deiner schleppenden Haus-Fertigstellung könnte ich Dir einen Rat geben: Lobe eine Prämie aus! Derjenige Architekt, der in der Lage ist, bis zum Tag X Dein Haus so fertigzustellen, wie du es verlangst, erhält eine Summe X.

Mister Wisit hat Deine Großzügigkeit ausgenutzt . Vergiss ihn sofort! Denn er wird Dein Haus nicht mehr fertig stellen – alle Vertrauensebenen sind zerstört. Lass ihn fallen und vergiss alles, was er Dir angetan hat, es kostet Dich nur wertvolle Zeit Deines restlichen Lebens! Mache einen klaren Schlussstrich!
Ich danke so oft an euch und – da ich dich kenne – an den Unterschied zwischen deinen Ansprüchen und der Thai-Wirklichkeit, unter der du leiden musst. Ich wünsche dir Kraft, Geduld und bleib bei all dem Unangenehmen gesund.

Deine Freundin...
Antwort aus Thailand

Meine liebe Freundin.....
Klar kennst du mich gut, aber du vergisst, dass ich nun 70 Jahre den aufrechten Gang geübt und mich nicht angepasst habe. Schon gar nicht, wenn ich für Qualität bezahlt und Scheisse geliefert bekommen habe. Das hinzunehmen und mit einem arroganten Lächeln und Schulterzucken als „so sind die Thai eben“ zu erklären, verstößt nicht nur gegen meine intellektuelle Grundhaltung – ich komme aus einem Kontinent der Aufklärung, in dem Descartes gelehrt und gesagt hat, „Ich denke, also bin ich“, und Denken hat auch mit Kritik zu tun, und der Intellektuelle wird nach Sartre nicht als hoch gebildeter Schöngeist sondern schlicht als kritisch Denkender definiert – sondern entspricht auch einem kolonialistischen Denkmuster: Hier die Fortgeschrittenen, da die Primitiven, hier die Gebildeten, da die geistig Unterbelichteten, hier die Europäer mit ihren Standards, da die unpünktlichen, unqualifizierten, unzuverlässigen und faul-bequemen Thai. Das als Norm zu definieren ist unverschämt, denn es gibt auch in Thailand massenhaft das Gegenteil, den pünktlichen, qualifizierten....Thai.
Ich könnte dir etliche Beispiele nennen. 
Wir haben für unser Schlafzimmer einen großen Schrank mir Mattglastüren bestellt, so wie es ihn seit Jahren bei IKEA gibt. Hier wurde er uns schnell und perfekt aufgebaut, die Türen professionell ausgerichtet und mit dem gleichen Material der Abstand zur Decke ausgeglichen. Nicht nur das: Die leicht schiefen Wände unseres Traumhauses wurden ausgeglichen, indem schmale Leisten auf den Millimeter zugeschnitten , eingepasst und verspachtelt wurden. Dann wurde der Schrank und das ganze Umfeld abgesaugt und blitzblank geputzt. Das ist auch Thai. Kennst du solchen Service aus Deutschland?

Natürlich habe ich für meine vielen Bilder und Drucke nicht alle Rahmen mitgebracht. Einen riesigen Druck von Picassos Guernica – Lieblingsbild von Luck – wollte ich an die Flurwand pinnen, da ich ein Rahmengeschäft in unserem Ort nicht erwartete. Falsch. Wir fanden einen Laden, in dem sie nur mit dem Passepartout in der Größe 155 x 75cm Schwierigkeiten hatten. Es wurde zusammengeklebt und gespachtelt, der Rahmen passte perfekt, das Glas war nicht zu schwer und das Bild wurde uns innerhalb von einem Tag in Luftpolsterfolie verpackt geliefert. Preis: 25,- Euro. Das ist auch Thai.

Das einzige Gerät, das beim Container-Transport gelitten hatte, war mein großer A3-Zoom-Kopierer. Von der Glasscheibe war unten eine Ecke abgebrochen. Außerhalb des Belichtungsfeldes störte das nicht. Aber der Kopierer rappelte beim Starten und die Walzen bewegten sich nicht. Ich vermutete einen größeren Stoßschaden und bereitete mich auf einen Neukauf vor. Wir fanden durch Tips einen Laden für Kopierer und Printer. Zwei Stunden später kamen zwei Mitarbeiter in mein Atelier, behorchten das Gerät und schraubten es auf. Danach schraubten sie es wieder zu und ich war zufriedener Besitzer eines intakten Kopierers. Einen kleinen Glassplitter fanden die Monteure in den Innereien des Gerätes und verlangten 8,- Euro für Anfahrt und eine perfekte Reparatur. Das ist auch Thai.

Unser Architekt hat einen Mitarbeiter, der gelernter Elektriker ist. Aber er bessert die ungenauen Malerarbeiten aus, ersetzt gebrochene Bodenfliesen, ist für alle Wasserleitungen, Pumpen, Armaturen usw. zuständig und besorgt den Einkauf aller Materialien. Ein professioneller Allround-Handwerker, der dazu schnell, sehr sympathisch und hilfsbereit ist. Auch das ist Thai.

Ich passe mich nicht an eine schlechte Arbeit an, nur weil sie angeblich die Norm ist. Und wenn sich niemand dieser angeblichen Norm anpassen würde, würden in Thailand nach und nach die Messlatten höher gesetzt. Die bequeme Anpassung der Farang ist also kontraproduktiv.
Wir haben unserem Architekten – wie in den letzten Beiträgen zu lesen war – einen Vertrag vorgelegt, der auch Termine und Konventionalstrafen enthielt. Ab dem 24.7. sollten täglich relativ hohe Strafen gezahlt werden. Die sind nun seit drei Wochen fällig und summieren sich zusammen mit den anderen Abzügen für Guest House, Container-Einlagerung, die mehrfache Landvermessung usw. auf knapp 100.000,- Baht. Das ist für hiesige Verhältnisse enorm viel Geld. Wenn ich den Architekten weggeschickt hätte, stünde ich heute mit Sicherheit frustrierter und ärmer da. Mit meiner Haltung, vor der mich alle Welt und auch du gewarnt haben, bekomme ich die zugesicherten Leistungen. Sogar der Zaun ist fast fertig.

Für die Verspätungen gibt es Abzüge. Ich werde in diesem Fall am Ende konsequent bleiben, denn uns fehlt seit fast 75 Tagen die Lebensqualität. An ein angenehmes Wohnen ist bei dem täglichen Dreck und Lärm nicht zu denken.

Seit drei Monaten liegt Luck dem Architekten wegen einer Hausnummer in den Ohren, ohne die wir weder TV und Internet noch Telefon anmelden können. Und selbst wenn das Haus fix und fertig ist und ich noch kein Internet habe, wird die tägliche Konventionalstrafe weiter abgezogen. Auch der Architekt sollte lernfähig sein, obwohl es ihm anscheinend schwer fällt. Ich habe heute seinen Super-Elektriker gefragt, warum sein Chef Aufträge gibt, die selbstverständlich nachher revidiert werden müssen. Zeit ist doch Geld, und das Material muss ja auch bezahlt werden. So musste

               

- im gesamten Treppenhaus bei allen Stufen die Endleisten von blauem Kunststoff gegen Aluminium ausgetauscht werden, weil es so im Vertrag stand;

ein zugemauerter Balkon wieder geöffnet und mit dem vertraglich vereinbarten Geländer versehen werden;





- ein Abstell- und Lagerraum unter der Parterre-Etage, der einfach zugemauert wurde, wieder aufgerissen und gesäubert werden, weil es so im Vertrag stand;

- das endlich am 22.7., zwei Tage vor dem kritischen Datum 24.7. fertig gestellte, über 20 Meter lange Terrassengeländer wieder abmontiert und auf den Müll geworfen werden, weil es vertragswidrige, kleinere Maße hatte, als die anderen Geländer des Hauses;



- der Bauschutt im Vorgarten, der vertragswidrig nicht abtransportiert sondern einfach mit einer Schicht Mutterboden zugedeckt wurde, nachträglich mühselig abgetragen und entsorgt werden. Usw., usw..

Ich ärgere mich gar nicht über so einen Schwachsinn, sondern mache in Ruhe meine Buchführung mit den entsprechenden Abzügen von der letzten Rate an den Architekten. Für ein paar Hohlblocksteine seines eigenen Hauses wird es wohl noch reichen. Ansonsten weiss ich, wo die Grenzen sind, anders als unser Johnny, der sich gegen viel härtere Widerstände durchzubeissen versucht.


Du siehst, liebe Freundin, ich gehe nicht zugrunde, ich werde nicht krank und meiner Familie geht es prächtig und die Umsätze sind erfreulich und stetig steigend. Und das alles, ohne mich zu verbiegen und ohne die mir wichtigen Maßstäbe aufzugeben.
Ich werde auch in Kleinigkeiten meine objektiv definierbaren Haltungen nicht ablegen. So beginne ich nicht mit dem Essen, bevor alle anderen Teilnehmer Platz genommen haben. (In Thailand unüblich). So hänge ich auch in Thailand meine Wäsche zum Trocknen auf unsere diversen Balkone, was man im wunderbaren Venedig sogar quer über die Straße tut, aber Luck hier wie alle anderen Thai und auch die Farang unschick finden. So erwarte ich von Thai-Besuchern den gleichen Respekt, den man in anderen Bereichen auch von mir erwartet und wo ich mich – weil es höflich ist – auch gern anpasse. So habe ich nach einigen Besuchen von Nachbarn und Verwandten, die alle Schubladen, Schranktüren und auch die Schubladen im Büro und die Spiegelschränke in den Bädern neugierig aufmachten, vor neu zu erwarteten Besuchen alle Schranktüren deutlich sichtbar zugeklebt. Ich werde mich auch in Guest-Houses oder Hotels spät abends oder früh morgens nur ganz leise unterhalten und meine Frau entsprechend ermahnen. 
Nein, Rücksicht kennen die Thai nicht, das habe ich an hundert Beispielen erfahren. Empathie, das heißt, sich ein wenig an den Bedürfnissen der Anderen zu orientieren, ist hier unbekannt.
Dazu gehört der unsägliche Krach, der bei jeder Hochzeit oder anderen Feiern über riesige Lautsprecher verursacht wird und mit Musik wenig aber mit akustischer Kontaminierung viel zu tun hat. Dazu gehört auch das Abstellen der Schuhe vor den Eingangstüren. Auch in unserem Haus steht manchmal nur ein Paar Schuhe mitten vor der Tür. Ich finde das extrem rücksichtslos und schiebe mir überall meinen Weg frei, nachdem ich mehrfach über diese Latschen-Ansammlung stolperte.


Respekt und Rücksichtnahme, besonders bei familiären oder religiösen Traditionen, sind für mich selbstverständlich. Aber Toleranz heißt nicht Akzeptanz und betrifft nicht meine eigenen Wertvorstellungen. So werde ich als Buddhist den ganzen irrationalen Voodo-Firlefanz, Geisterzauber und den Personenkult nicht mitmachen. Buddha würde – wenn man ihn nicht verbrannt hätte – wie ein hochtouriger Ventilator im Grab rotieren, wenn er sähe, was heute in seinem Namen veranstaltet wird. Das GEGENTEIL dessen hat er gelehrt.
Und an diesem heiklen Punkt der Anpassungs-Realität mache ich Schluss mit meiner langen Antwort. Ich hoffe, ich konnte dir meine Haltung verständlich machen. Und mach dir um mich keine Sorgen, ich habe in Deutschland als „Unangepasster“ so unglaublich viel Gegenwind gehabt, da werde ich das bisschen Thai-Monsun gut verkraften.

Mit lieben Grüßen am 11. August 2011
Manfred Spies
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Im September wurde das Haus nach langem Verbessern soweit fertig, dass wir einer Beendigung der Arbeiten zustimmten. Was das bedeutete und wie dann der Termin mit dem vom Arcgitekten Wisit bestellten Gutachter ablief, habe ich am 24.9.2011 in einem langen Bericht aufgeschrieben. Es war für uns so positiv und für alle unsere Kritiker in der Nachbarschaft so vernichtend negativ, dass ich mir in dem Text ein paar kräftige Seitenhiebe gegen diese Mischpoke erlaubte. 
Da mir das später, als mein gerechter Zorn gegen diese Dummschwätzer und Verleumder verraucht war, nicht mehr angenehm für unsere leser in den deutschsprachigen Ländern erschien - wir bekommen viele Zuschriften aus der Schweiz - exportierte ich den gesamten Bericht zusammen mit anderen Artikeln in einen speziellen Blog mit dem Titel "Thailand-Pakchong Selected Informations".
Wer also den Abschluss unseres Haus-Krimis lesen will, kann das tun:
http://thailand-pakchong.blogspot.com/2012/08/gut-oder-bekloppt-farce-in-drei-akten.html

Ansonsten gibt es auch ein Resümee unter dem Titel "Hausbau: Ende gut alles gut?" ohne den ganzen Ärger.


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