Erinnerungen an einen deutschen Sommer 2018
Der Sohn unserer Vermieterin kutschierte uns
zusammen mit zwei neuen Gästen in seinem grauen
VW-Bus zum Liegeplatz des Ruderbootes. An der
Uferpromenade stand ein schlanker, dunkelhäutiger
Mann in weisser Hose und hellblauem Hemd mit einer
Zeitung in der Hand.
„Jetzt treiben sich die Schwatten auch schon hier herum“
sagte unser Fahrer.
Ob die Stille im Auto Zustimmung oder Betroffenheit
bedeutete, weiss ich nicht.
„Mit dem Schwatten habe ich gestern gesprochen.
Er ist in Deutschland geboren, Journalist für den
Tagesspiegel und macht hier ein paar Tage Urlaub.
Sein Vater arbeitet seit 30 Jahren in Berlin als Augenarzt“
sagte ich. Ich musste etwas antworten.
Ob die Stille im Auto Zustimmung oder Betroffenheit
bedeutete, weiss ich nicht.
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Ein sonniger Tag. Wir steigen aus dem Bus 764 nach
Rheinsberg. Wo ist das Schloss? Ich frage einen
sympathisch aussehenden jungen Mann, der einen
VW-Transporter belädt.
„Da, ein Stück weiter, vorbei am Denkmal vom Alten
Fritz. Der Soldatenkönig hätte sich nicht träumen
lassen, was einmal aus diesem Land wird. Er hätte
die Grenzen gegen diese Schmarotzer verteidigt und
sich als erstes das so genannte heilige Land Israel
vorgenommen, das an allem Schuld hat.
Und danach diese Verräterin Merkel, diese Lesbierin aus
einer polnischen, jüdischen Familie, die eine Scheinehe
mit diesem Professor führt.“
Er packt seine Kartons und Kisten in den VW und redet
ununterbrochen weiter, als wenn er seinen Redeschwall
auswendig gelernt hätte.
Was hätten wir gehört und erlebt, wenn meine Frau auf
dem T-Shirt einen Davidstern und ich auf dem Kopf
eine Kippa getragen hätte?
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Dem jüdischen Gymnasiasten Gil Ofarim wurde in
München auf dem Schulhof gesagt, „Dachau ist nicht
weit.“
Einem jüdischen Professor in Bonn wurde die Kippa
vom Kopf geschlagen.
Anette Kahane, Vorsitzende einer Stiftung gegen
Rechtsextremismus, wurde als „ehrloser, jüdischer
Abschaum“ beschimpft (SPIEGEL, 21.7.18, S.38), und sie
erhielt einen Twitter-Eintrag: „Aus der Kahane-Fresse
würde ich einen Lampenschirm machen.“
Im Juli 2918, vier Wochen vor unserer Reise nach
Berlin und später nach Lindow/Mark, wo die AfD jetzt
20% hat (Anmerkung: 2019 bei der Europa-Wahl über 35%)
und bei der nächsten Wahl stärkste politische
Partei werden könnte, fuhren wir die Antennen aus und
fragten auch in einer Thai-Facebook-Gruppe, ob Luck
als Ausländerin in Deutschland sicher sei. Wegen der
umfangreichen und zum Teil gehässigen Kommentare
schloss der Admin die Kommentar-Funktion.
Ich mag mir nicht vorstellen, was wir gelesen hätten,
wenn Luck als Jüdin ihre Frage in der Thai-Expat-
Gruppe gestellt hätte.
Deutsche in Deutschland,
Deutsche in Thailand,
die gleichen Farben?
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