Samstag, 27. Juli 2019

IN DEUTSCHLAND LEBEN

Erinnerungen an einen deutschen Sommer 2018

Der Sohn unserer Vermieterin kutschierte uns
zusammen mit zwei neuen Gästen in seinem grauen
VW-Bus zum Liegeplatz des Ruderbootes. An der
Uferpromenade stand ein schlanker, dunkelhäutiger 
Mann in weisser Hose und hellblauem Hemd mit einer 
Zeitung in der Hand. 
„Jetzt treiben sich die Schwatten auch schon hier herum“ 
sagte unser Fahrer. 
Ob die Stille im Auto Zustimmung oder Betroffenheit 
bedeutete, weiss ich nicht. 
„Mit dem Schwatten habe ich gestern gesprochen. 
Er ist in Deutschland geboren, Journalist für den 
Tagesspiegel und macht hier ein paar Tage Urlaub. 
Sein Vater arbeitet seit 30 Jahren in Berlin als Augenarzt“ 
sagte ich. Ich musste etwas antworten. 
Ob die Stille im Auto Zustimmung oder Betroffenheit 
bedeutete, weiss ich nicht.

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Ein sonniger Tag. Wir steigen aus dem Bus 764 nach 
Rheinsberg. Wo ist das Schloss? Ich frage einen 
sympathisch aussehenden jungen Mann, der einen 
VW-Transporter belädt. 
„Da, ein Stück weiter, vorbei am Denkmal vom Alten 
Fritz. Der Soldatenkönig hätte sich nicht träumen 
lassen, was einmal aus diesem Land wird. Er hätte 
die Grenzen gegen diese Schmarotzer verteidigt und 
sich als erstes das so genannte heilige Land Israel 
vorgenommen, das an allem Schuld hat. 
Und danach diese Verräterin Merkel, diese Lesbierin aus 
einer polnischen, jüdischen Familie, die eine Scheinehe 
mit diesem Professor führt.“ 
Er packt seine Kartons und Kisten in den VW und redet 
ununterbrochen weiter, als wenn er seinen Redeschwall 
auswendig gelernt hätte.

Was hätten wir gehört und erlebt, wenn meine Frau auf 
dem T-Shirt einen Davidstern und ich auf dem Kopf 
eine Kippa getragen hätte?

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Dem jüdischen Gymnasiasten Gil Ofarim wurde in 
München auf dem Schulhof gesagt, „Dachau ist nicht 
weit.“
Einem jüdischen Professor in Bonn wurde die Kippa 
vom Kopf geschlagen. 
Anette Kahane, Vorsitzende einer Stiftung gegen 
Rechtsextremismus, wurde als „ehrloser, jüdischer 
Abschaum“ beschimpft (SPIEGEL, 21.7.18, S.38), und sie 
erhielt einen Twitter-Eintrag: „Aus der Kahane-Fresse 
würde ich einen Lampenschirm machen.“

Im Juli 2918, vier Wochen vor unserer Reise nach 
Berlin und später nach Lindow/Mark, wo die AfD jetzt 
20% hat (Anmerkung: 2019 bei der Europa-Wahl über 35%)
und bei der nächsten Wahl stärkste politische 
Partei werden könnte, fuhren wir die Antennen aus und
fragten auch in einer Thai-Facebook-Gruppe, ob Luck 
als Ausländerin in Deutschland sicher sei. Wegen der 
umfangreichen und zum Teil gehässigen Kommentare 
schloss der Admin die Kommentar-Funktion. 

Ich mag mir nicht vorstellen, was wir gelesen hätten, 
wenn Luck als Jüdin ihre Frage in der Thai-Expat-
Gruppe gestellt hätte. 
Deutsche in Deutschland, 
Deutsche in Thailand, 
die gleichen Farben?



Manfred Spies
27. Juli 2019

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