„Im Zweifel für den Angeklagten…“
Wie oft schon waren wir wütend, wenn wir bei einem Merdprozess, einer Vergewaltigung oder einem anderen spektakulären Fall UNSER Urteil nicht bestätigt bekamen! Wenn die Verteidigung besser war als der Staatsanwalt. Wenn es für den in unseren Augen feststehenden Täter sogar einen Freispruch gab. Unfassbar! Wir und die Öffentlichkeit tobten.
Aktuell könnte es uns im Fall von „Ferrari Joe“ so gehen:
War es Mord, war es Totschlag, war es Körperverletzung mit Todesfolge? In allen Fällen MUSS dem Beschuldigten jede anwaltliche Hilfe zur Verfügung stehen. Vorverurteilungen und Vorurteile sind hinderlich. Ich schlüpfe mal mit meinen lächerlichen drei Semestern Jura in die undankbarste Verteidiger-Rolle:
„Hohes Gericht. Mein Mandant war nicht auf der Flucht. Er war in Panik, weil ein Mensch gestorben ist und man ihm die Schuld dafür gibt, und eine Hetzjagd bevorstand. Was ist passiert?:
Mein Mandant ist ein ehrenwerter Staatsdiener, der Unglück von unserem Land fern halten will. Sein Team erwischte einen als Drogenkurier verdächtigen und sie verhörten ihn. Sie hatten bei dem Mann und seiner Komplizin große Mengen Drogen gefunden und glaubten, einer größeren Sache auf der Spur zu sein.
Um das Geständnis und die Namen der Hintermänner zu bekommen, wandte mein Mandant unübliche Verhörmethoden an, für die er auch die Verantwortung auf sich nimmt.
Aber es ging ihm um die Sache. Würden Sie, hohe Richterinnen und Richter, nicht auch aus der Haut fahren und vielleicht etwas zu weit gehen, wenn es sich um die Gesundheit und das Schicksal ihrer Kinder handelte? (Der Anwalt führt das weiter aus.)
Meinem Mandanten werden als Grund für seine unüblichen Verhörmethoden - hier das Überziehen von Tüten über den Kopf des Festgenommenen - Erpressungen vorgeworfen. Dafür gibt es keine Beweise. Haben Sie auf dem Video eindeutige Äußerungen meines Mandanten in dieser Richtung? Nein!
Hat mein Mandant den Festgenommenen oder seine Komplizin geschlagen oder gefoltert? Nein!
Niemand kann also meinem Mandanten böse Absichten unterstellen. Der Festgenommen stand unter Drogeneinfluss und die haben zu einem Schock geführt. Der Festgenommene hat diesen Schock nicht überlebt. Von einer heimtückischen TötungsABSICHT, also von Mord, kann also keine Rede sein. Ebenso wenig von einem Totschlag.
Infolge des Verhörs kam es bei dem Festgenommenen zu einem Herzstillstand. Sofort wurde von meinem Mandanten und den anwesenden Beamten reanimiert. Ob der Herz- und Atemstillstand und der folgende Tod des Festgenommenen URSÄCHLICH mit dem Überziehen der Tüte zusammenhing, müssen die Forensiker klären. Bisher ist das jedenfalls in keinen Zusammenhang gebracht worden.
Nach diesen Ausführungen kann also auch eine Körperverletzung mit Todesfolge ausgeschlossen werden.
Auch eine fahrlässige Tötung ist auszuschließen, weil die umgehende Reanimation das Gegenteil von Fahrlässigkeit ist.
Sofort, nachdem sich mein Mandant der Polizei zur Erklärung des Sachverhalts stellte, hat er den Vorfall bedauert und die Verantwortung für die unübliche Verhörmethode übernommen. Ausserdem ist er traurig und erschüttert über den Tod des Drogenkuriers, der unter Drogen stand und möglicherweise dadurch den Schreck und den Schock nicht überstand.
Was den Lebensstil meines Mandanten angeht, so hat das mit seinen Anschuldigungen im Zusammenhang mit dem Tod des Festgenommenen nichts zu tun. Aufwändiger Lebensstil infolge von Schenkungen und anderen legalen Zuwendungen sind nicht strafbar.
Ich beantrage daher die umgehende Freilassung meines Mandanten und kündige jetzt schon an, dass in einem eventuellen Verfahren die Verteidigung bis zum höchsten Gericht gehen wird um einen totalen Freispruch zu erwirken.“
Wir kennen das aus vielen Fällen in Deutschland. und aus etlichen Gerichts-Filmen. In Thailand wird das ähnlich sein.
Aber eins muss trotz Zorn und Fäusterecken klar sein: Wenn es auf dem Video und von Zeugen keine Beweise gibt, wird Recht gesprochen, ob uns das passt oder nicht! Rechtsprechung fundiert auf Beweisen, nicht auf Vermutungen und Gefühlen.
Manfred Spies
Dienstag, 31.August 2021