Freitag, 29. Mai 2020

Kunststadt Düsseldorf: Posse oder Politikum?

Hier mal aus der Erinnerungskiste der Plakat-Anschläge eine kleine aber amüsante Geschichte, erzählt vom Beteiligten Manfred Spies.

Im Jahr 1979 zwischen Mai (Europawahl) und September (Kommunalwahl) blieben 374 Wahlwände in Düsseldorf aus Kostenersparnis stehen. Der Antrag, einige Wände den Künstlern zu überlassen, wurde von der Düsseldorfer Verwaltung abgelehnt.

„Frechheit“ sagte ich und ging mit Hagen Drasdo u.a. Kreativen illegal auf die Wände. Viel Arbeit, Zustimmung in der Öffentlichkeit und den Medien, Wut bei der Verwaltung und bei der CDU. 



Kurz vor der Kommunalwahl schwenkte der FDP-Mann Peter Wissmann (Ordnungs-Dezernent) um und stellte den Kreativen viel mehr Wände zur Verfügung, als sie vorher gewünscht hatten. 
Mit einem Antrag wollten wir legal etwa 10 Wände. Abgelehnt.
Wir arbeiteten illegal und erhielten 20 Wände.


Ich bot sofort Kolleginnen und Kollegen die Wände für ihre Fantasien an. Der erste Anrufer war Jörg Immendorff, damals schon erfahren mit Publicity und Kommerz und später sehr berühmt.  „Ich hätte gern eine Wand an der Kö.“ Er bekam zwei.

Jörg Immendorff bei der Arbeit an der Plakatwand auf der Kö
Düsseldorf war für einige Wochen farbiger und fantasievoller, danach wurden alle Wände abgebaut. Im Normalfall werden die Plakatwände gesäubert, weiß gestrichen und kommen ins Depot. Stephan von Wiese, leitender Mitarbeiter des damaligen Kunstmuseums, später Museum Kunstplast, schätzte die beiden Arbeiten von Immendorff als sehr wertvoll ein und liess sie gesondert lagern und schützen. Als die anderen Künstler davon erfuhren, waren sie sauer über diese Ungleichbehandlung. Als Immendorff davon erfuhr, war er auch sauer. „Das waren Arbeiten für die Straße, nicht fürs Museum!“ 
Als ein Freund von großer Show wolle er sie auf der Kö verbrennen lassen. Das war natürlich Quatsch, denn städtisches Eigentum wird nicht verbrannt, auch wenn es bemalt wurde.

Nun befinden sich angeblich Bilder im Wert von Millionen seit Jahrzehnten in einem städtischen Depot und können nicht gezeigt werden. Jörg Immendorff ist seit genau 13 Jahren tot. Es ist nicht anzunehmen, dass er letzte Aussagen zu den Tafeln gemacht hat. Vielleicht sollte man seinen Galeristen Michael Werner oder Helge Aachenbach um Rat fragen. 
In meinem fernen Land des Lächelns gibt es immer wieder Anlass zum Schmunzeln, wenn ich mich an meine Geburtsstadt erinnere.

Manfred Spies
30. Mai 2020



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