Sonntag, 24. Oktober 2010

Thailand, Wärme und Menschlichkeit



(Beitrag verfasst noch in Deutschland) 
Am 20. Oktober 2010 schickte ich unter dem Betreff "Sonniges Thailand" einige Fotos von den Überschwemmungen, die u.a. in der Provinz Korat - also unserer zukünftigen Heimat - große Zerstörungen anrichteten, an einige Freundinnen und Freunde.
Ich bekam manche Ratschläge und Warnungen. Einer Freundin antwortete ich ausführlich:


Liebe Iris ,

nachdem ich gir und anderen noch hier aus Deutschland Fotos aus unserem zukünftigen Wohnort Pak Chong in der Provinz Korat schickte und mitteilte, dass die ganze Gegend von Überschwemmungen heimgesuchten wurde, schriebst du mir u.a.:

"Und Du willst weggehen und Deine liebe Frau, die sich hier so wahnsinnig wohl gefühlt hat, wieder dorthin bringen?
Sei mir bitte nicht böse, aber ich kann (und konnte) Deinen Entschluss einfach nicht verstehen... Du als intellektueller Mensch wirst geistig "verhungern",  auch das Internet kann Deinen Ansprüchen dann nicht gerecht werden. Zu groß sind Dein Wissens- und Erlebnisdurst, Deine Neugier und deine Diskussionsfreude....
Natürlich ist hier vieles "am stinken", aber wir leben klimatisch in einer verdammt sicheren Zone und dafür bin ich immer wieder dankbar...."

Danke für deine besorgten Zeilen. Aber ich teile deine Sorgen nicht, weder was mein durch klimatische Bedingungen bedrohtes Leben angeht, noch deine Befürchtungen, mich in einer vom Humanismus und der Aufklärung unberührten Wüste verdorren und geistig verhungern zu sehen.

Tatsächlich leben wir am Rande eines bergigen Naturschutzparks, des ersten und größten in Thailand. Wenn es stark regnet, strömt das Wasser in die Niederungen. Dazu gehören Plätze wie Korat und Pak Chong.  Dann stehen dort die Straßen unter Wasser und die Wohnungen werden überflutet. Einer Verwandten von uns wurde zuerst das Motorrad, dann das Auto, danach das ganze Haus weggerissen. Aber sie jammern nicht, weil sie ihr Leben behalten haben. Das ist Thailand.

Was unser Haus angeht, so haben wir es weit oberhalb der Stadt geplant. Auch hier wurden jetzt die Straßen zu "reissenden Strömen", wie man uns schrieb.  Aber das Wasser läuft vorbei und nach unten in die Senke. Und letztlich habe ich das Haus so entworfen, dass es erhöht auf Betonstelen steht (s.Foto). Ehe Wasser in die Wohnung läuft, müsste es in der gesamten Umgebung einen Meter hoch stehen. Das ist völlig ausgeschlossen.


Was deine Annahme einer geistigen Wüste in Thailand angeht, so stelle ich weder an das TV-Programm noch an andere Thai-Medien irgendwelche Ansprüche.  Ich spreche ja die Sprache nicht und will mich dort nicht einmischen. Meine Reflexionen in meinem Kopf kann ich allein und in verständlichem Deutsch machen.
Ich habe etwa 2500 Bücher, 1890 Spielfilme, 1540 Dokumentarfilme und will - ausser kochen, das Haus säubern, mit den Vorschulkindern malen und deutsch sprechen - vor allem lesen und schreiben. Das will ich u.a. auch für ein paar Wochen sehr abgeschieden in einem wunderbaren, in einem Park gelegenen Kloster tun. Um Bäume, Blumen, Kräuter, Gemüse und Obst werden sich Luck und ihre Schwester Mooy kümmern. Abgesehen davon ist der Kopf rund, damit das Denken die Richtung ändern kann. Und diese Beweglichkeit hindert das "Verdorren" der Zellen.

Es gibt in Thailand so viel Ungereimtes, Irrationales, Unverständliches und auch Ärgerliches. Aber ich erzähle dir mal nur zwei von sehr vielen Geschichten aus meiner Verwandtschaft und frage dich, ob du das Leben hier wirklich menschlich ausgetrocknet, verdorrt und elend im Vergleich zu Deutschland findest:

Luck hatte vor der Asien-Krise eine Import-Export-Firma mit einem Büro in der Silom Road, einer der besten und teuersten Straßen Bangkoks. Als die Mutter todkrank wurde, schloss Luck das Büro und fuhr zu der Mutter. Sie blieb dort zwei Monate (wer macht das hier in Düsseldorf?). Andere Verwandte kamen hinzu und halfen. Danach ließ sich der Bruder Dee, ein Hochschullehrer in Udon Thani, beurlauben und löste sie ab. Als die Mutter starb, waren nicht nur nähere und entfernte Verwandte an ihrem Sterbebett, sondern auch die Nachbarn. Als im Frühjahr meine Mutter starb, wunderte sich Luck: Sie und ich waren allein bei der Sterbenden in der Pflegestation des Seniorenheims.
In Thailand gibt es für die Einheimischen keine Seniorenheime. Man lebt und stirbt in der Familie. Das ist Thailand. Da die Pflegekräfte in Thailand sehr lieb und sehr billig sind, bauen viele europäische Versicherer Senioren-Residenzen in Thailand. Aber nur für die Farangs (Ausländer).

Luck hat einen Bruder Dee (der Thai-Name bedeutet "der Gute") und die Schwestern Mooy (der Khmer-Name bedeutet "Die Beste") und Jek (der China-Name bedeutet "Nr. 1"). Mooy ist die Älteste der Geschwister. Sie arbeitete als Schneiderin mit mehreren Angestellten. Als ihr Mann starb, schloss sie ihr Geschäft und zog zu ihrer Tochter. Die kleinen Enkelkinder freuten sich über die liebe Oma. Bei der Geburt des dritten Kindes starb die Tochter. Das verkraftete Mooy nicht und wollte nicht weiter leben. Der Himmel war düster, die Blüten im Garten blass und die Erde bebte unter ihren Füßen. Innerhalb weniger Tage wurden die Haare von Mooy weiss.
Sofort verkaufte Dee sein Haus in der City von Udon Thani und zog in die Nachbarstraße von Mooy, um in der Nähe zu sein. Dort leben sie noch heute,  besuchen sich täglich, essen zusammen und helfen sich gegenseitig. Das ist Thailand und das hat mich tief berührt.

Als ich jetzt in unserem Haus eine Wohnung auch für Mooy plante - die Schwester Jek ist schon vor uns von Bangkok nach Pak Chong gezogen(!) - war der Bruder damit einverstanden. Er hat in seiner Stadt eine eigene, tägliche Radiosendung und viele ehrenamtliche Verpflichtungen. Da kann er nicht weg. Seine Kinder leben in Bangkok. Nun liegt Pak Chong etwa in der Mitte zwischen Udon Thani und Bangkok und man kann sich prima bei uns treffen. Dafür baue ich ein sehr großes Esszimmer mit einem langen Tisch.



Vielleicht verstehst du jetzt ein bisschen, was ich durch meinen Umzug nach Thailand gewinne und dass die seelische, psychische Befindlichkeit von mir höher eingeschätzt wird, als das Intellektuelle, weil das Eine die Voraussetzung für das Andere ist, weil - um es metaphorisch auszudrücken - die Pflanze ohne Sonne nicht blüht.


Herzliche Gruesse von
Manfred Spies,
Düsseldorf, 24.10.2010




Donnerstag, 7. Oktober 2010

VENEDIG - ein Kindertraum

Als wir mittags am San Marco-Airport ankamen, besorgte ich gleich zwei Venice-Cards. Damit kann man alle öffentlichen Verkehrsmittel und die Toiletten benutzen und hat in vielen Kirchen und Museen ermäßigten Eintritt.


Mit dem Bus ging es auf die Lagune und mit dem Vaporetto eine Station weiter bis fast an unser Hotel, das 4 Minuten vom Canale Grande entfernt liegt. 
Venedig war ein Kindertraum von Luck, und sie wollte sofort mit dem Boot herumfahren.  Das Wetter war warm und sonnig, und wir stiegen an der Station Ferrovia in die Linie 1 in Richtung San Marco. 
Wenn man zum ersten Mal in Venedig ist und an den von der Nachmittagssonne angestrahlten Palazzi. den monumentalen Kirchen, den Anlegern der Gondeln und all den Brücken vorbeifährt, kann man es erst nicht fassen und glaubt, in einem anderen Jahrhundert zu sein. Für meine Frau war es absolut "unglaublich", was sie auch immer wieder rief. Ich war sehr glücklich, ihr dieses Geburtstagsgeschenk am Ende unserer Zeit in Europa gemacht zu haben.

Wir kurvten den ganzen Nachmittag mit unterschiedlichen Linien durch die Kanäle und um die Stadt herum. Ein paar Mal stiegen wir irgendwo aus, bummelten durch enge Gassen und über sonnige Plätze, um dann an einer Haltestelle wieder einzusteigen und ohne Ziel Venedig an uns vorbei ziehen zu lassen. Als es dunkel wurde, stoppten wir in der Nähe der Rialto-Brücke und wanderten über eine der Hauptrouten der Stadt direkt zum Hotel. 
Wir wohnten im Stadtteil Cannaregio am Campo San Geremia gegenüber vom Palazzo Labia, in dem der italienische Rundfunk sein Quartier hat, direkt neben der großen Kirche San Geremia. Sie hat viele Gemeinsamkeiten mit unserer Lieblingskirche am Ende des Canale Grande, Santa Maria della Salute. Von unserem Hotelfenster blickten wir auf den Campo mit seiner mediterranen Atmosphäre.


Natürlich haben wir für uns und für die Verwandten in Thailand sehr viele Fotos gemacht. Aber die Palazzi, die Kirchen und all ihre phantastischen Innenräume kennt man aus wunderbaren Bildbänden und tausenden von Internet-Fotos. Das will ich hier in dieser kurzen Beschreibung unserer letzten Europa-Reise vor der Auswanderung nicht zeigen. Vielleicht bilde ich hier etwas ab, das mir auffiel, das ich ungewöhnlich oder komisch fand und das man im Allgemeinen nicht in sein Urlaubsalbum klebt.
Wenn du in Venedig in eine Kirche gehst, zahlst du meist Eintritt. Drinnen gibt es weitere Opferstöcke und Verkaufsstellen für Kerzen, Andenken, Postkarten und Bücher.  Manche lebensechten Knäblein und Mädchen betteln dich vor Nebelaltären oder Beichtstühlen an.



Auffallend war, dass ein großer Teil der schönen und wichtigen Architekturen mit Planen verhängt waren. Am Markus-Platz fiel das besonders auf, der Dom war gar nicht zu besichtigen. 



Für die Touristen ist das sicher nicht so schön, aber wie man lesen kann, wird in Venedig IMMER irgendwo renoviert.  Für uns war das nicht so schlimm, unsere Bedürfnisse wurden befriedigt: Die Märkte um die Rialto-Brücke boten für Auge, Nase und Gaumen viel Erfreuliches. 






In den Gemüsehallen begeisterte uns vor allem die enorme Vielfalt und die ästhetische Zubereitung der Angebote. So hatte Luck den Chili nicht oft gesehen.


Und der Besuch des Guggenheim-Museums hat Luck nicht nur wegen der Plastik von Marino Marini gefallen.



In so einer wunderbaren Stadt muss man sich natürlich an manchen Stellen in einem zähen Strom von Touristenmassen fortbewegen. Aber natürlich fanden wir immer und überall ganz ruhige, fast einsame Gassen, Strassen und Plätze.



Mit Sturm und Regen versorgte uns Venedig auch. Das war aber sicher für uns weniger unangenehm als für das Hochzeitspaar. Mich wunderte nur, dass der Bräutigam seine Schirme nicht nutzte, um seine Frischvermählte (und sich) vor dem strömenden Regen zu beschützen. Eine merkwürdige Situation!



Meine Freundin Angelika Ferraú, die fließend italienisch spricht und auch die Sprache unterrichtet, hat natürlich auch Venedig besucht. Aber nie war sie auf Murano, dieser Touri-Basar musste nicht sein. Für Luck war das anders. Sie ließ sich sehr gern vor der Rialto-Brücke und anderen "well known"-Attraktivitäten fotografieren. Das ist in Thailand ganz typisch. Also musste auch Murano sein. Rein ins Vaporetto und hin. 
Der Rummel war erträglich. Es gab auch geschlossene Läden, die offenbar pleite waren. In einem der geöffneten Shops kaufte ich ihr für unsere Thailand-Blumen eine schwere Vase, die auch mir sehr gut gefiel.

War das schon die Italien-Krise?


So, und nun zum Abschluss ein paar von meinen Venedig Türen, die sich doch deutlich in der Art von denen unterscheiden, die ich in Griechenland, Portugal, Florida, Ägypten oder Thailand fotografiert habe. Es sind inzwischen über 800 Aufnahmen. Für mich eine Kulturgeschichte einer Stadt und ihrer Bedingungen, der Gastfreundschaft, der Eitelkeit und auch der Prahlerei mit Macht.








 

Nun sehen wir uns gleich in der ARD an, wie Herr Brunetti an den Schauplätzen unserer Vergnügen die Verbrecher jagt.

Tschau sagen Luck und Manfred
Donnerstag, 7. Oktober 2010