Montag, 31. August 2015

Bomben in Bangkok

Unter dem Titel "Die üblichen Verdächtigen" wollte ich zwei Tage nach dem Anschlag einen ganz persönlichen Beitrag mit einer ganz persönlichen Wertung und einer ganz persönlichen Vermutung veröffentlichen.
Das wurde mir von den Mitgliedern meiner Familie untersagt. Ich habe mich zähneknirschend daran gehalten, denn dieses Land ist - wie mir mein Freund Paul Martini bei seinem Besuch am Wochenende bestätigte - ein Tollhaus. Wir verstehen nichts, selbst bei einer therapiebedürftigen Anpassung und einer fast physisch schmerzhaften Toleranz der Verhältnisse.

Jetzt habe ich mich mit guten Argumenten anders entschieden. Es scheint so, dass ich mit meiner relativ spontanen, allerdings von Recherchen unterfütterten, ersten Einschätzung nicht alleine da stehe. Daher werde ich nach meiner Rückkehr aus Bangkok in die Tastatur greifen.

Manfred Spies, 31. August 2015

Donnerstag, 20. August 2015

Täglicher Terror in Thailand

Terror ist die systematische und oftmals willkürlich erscheinende Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, um Menschen gefügig zu machen (Wikipedia). Das geschieht in Thailand täglich. 
Wenn Personen oder Gruppen sich durch staatliche Organe (Polizei, Justiz, Behörden…) terrorisiert fühlen, kann das auch auf Unterlassungen zurück zu führen sein. Durch korrupte Beamte unter Druck gesetzt oder mit Angst erfüllt zu werden, ist nicht nur Horror, sondern ebenfalls Terror. Auch das geschieht in Thailand täglich.
Hier soll nur an einen Fall erinnert werden, der skandalös genug ist, um auch in ausländischen Medien lange beobachtet worden zu sein. Und danach?




EXPRESS-Redakteur Günther Classen recherchierte und schrieb sehr viel über den Mord auf Koh Saums in der Düsseldorfer Zeitung. Hier Auszüge aus einem Leserbrief vom 26.11.2014 an die in Thailand erscheinende Zeitung FARANG:
„…Hier aber drängt sich der Eindruck auf, nicht zuletzt durch hartnäckiges Hinterfragen des FARANG, dass offenbar in Thailand, speziell in KOH SAMUI wohl andere Maßstäbe gelten ALS IN JEDER WESTLICHEN ZIVILGESELLSCHAFT. Dem entgegenzutreten ist nicht nur die Pflicht eines jeden Journalisten, sondern auch jeden Bürgers, vor allem aber auch Derjenigen, die dafür bezahlt werden und geschworen haben, das Recht zu achten und Verbrechen zu verfolgen und zu sühnen.(Anmerkung: Aber die Thai-Polizei ist weitgehend Teil einer ÖSTLICHEN KORRUPTIONSGESELLSCHAFT!) Das ist man nicht zuletzt auch dem Menschen schuldig, der vermutlich durch ein Verbrechen getötet wurde. Vermutlich deshalb, weil es noch keinen Richterspruch gibt. Es kommt etwas hinzu, dass die örtlichen Behörden bedenken sollten. Wir leben nicht mehr in einer Welt, wo ein Ort so entlegen sein kann, dass er nicht mehr in den Fokus geraten kann….“ 
Und fast ein Jahr nach den angeblichen „Bewegungen“ in dem Fall und den Versprechungen der Staatsanwaltschaft in Koh Samui hat sich nichts getan. In einem Leserbrief direkt nach der Mordtat und der sofortigen Freilassung der geständigen Täter forderte ein Leser Massendemonstrationen und ein Engagement der internationalen Medien. Und? Was ist geschehen? 
Ja, Freunde, mit Gleichgültigkeit, Desinteresse, Wegsehen und Biertrinken ist dem Anarchismus und hausgemachten, alltäglichen Thai-Terrorismus nicht zu begegnen.






Hallo, Volker Schwartges.
ich habe deinen Text im FARANG vom 20.6.2015 gelesen. Deine Worte haben mich bewegt, erschüttert und natürlich wütend gemacht. So bin ich nun mal. Als Buddhist habe ich schon vor 20 Jahren gewusst, dass Buddha seine 2500 Jahre alten Lehren SELBSTVERSTÄNDLICH heute den veränderten Bedingungen anpassen und mir auch meine Rachegefühle erlauben würde.
Vielleicht würde Buddha heute für die Thais, die ja angeblich zu 95% gläubige Buddhisten sind, den Achtfachen Weg der Erkenntnis auch für Mopeds zulassen. Ich bezweifele allerdings, dass das im Verhalten der uns umgebenden Thais - Ausnahmen ausgeschlossen - etwas verändert. Es gibt in Thailand keine Ethik, keine Moral und keine Wertevermittlung, wie wir sie kennen. Thailand hat keine Aufklärung gehabt. Und keine Regierung hat versucht, daran etwas zu ändern.

Aber das alles ist vielleicht eine Erklärung für die Arroganz, die Rücksichtslosigkeit, die Oberflächlichkeit, den Neid und die Gier, die Gewalttätigkeit und die Korruption der Thailänder - Ausnahmen gibt es immer. Sogar bei der Polizei. Eine Entschuldigung ist es nicht.
Deine Ermordung geschah in einem Land, in dem so etwas täglich passiert. Es ist falsch, deshalb zur Tagesordnung übergehen zu dürfen. Und es ist auch falsch, anzunehmen, der Mord an einem Farang sei weniger bedeutend als die Ermordung eines Thais. Meine Frau erklärt mir täglich die Horror-Nachrichten und die anschließend unfassbar nachlässigen oder total ausbleibenden Ermittlungen und Anklagen der Polizei und der Gerichte. (Um das Thai-Gesicht nicht zu verlieren - oftmals ist es nur eine Fratze - sucht man die Schuldigen am liebsten bei Ausländern und besonders gern bei ausländischen Gastarbeitern. )

Da spült ein intelligenter, junger, hilfsbereiter Thailänder bei einem Fest der Nachbarn am Rande der Strasse das Geschirr der Gäste. Der arrogante Sohn der Familie ist Boss einer Dorfgang. Im Hinterzimmer raucht er mit Freunden einen Joint. Seine Gang-Rivalen aus dem Nachbardorf fahren mit Mopeds am Fest vorbei, sehen nicht den Sohn aber den Freund der Familie. Auch ein Verhasster. Also wird er erschossen. 
Die Ermittlungen verlaufen schleppend und dilettantisch, die Täterfamilien aus dem Nachbardorf sind reich und damit einflussreich. Nichts geschieht, wie in deinem Fall, lieber Volker. 
Der Vater des Erschossenen fährt an einem warmen Wochenende, an dem er die Familien beisammen vermutet, ins Nachbardorf und löscht die beiden Täterfamilien aus. Anschließend steckt der die Anwesen in Brand und erschießt sich. „Wer sich nicht weht, der lebt verkehrt“ empfand er wahrscheinlich. In einem durch und durch korrupten System scheint abrupte Selbstjustiz ein Ausweg.

Was würde ich als Bürger in Koh Samui tun, wenn ich dich gekannt und deine Ermordung miterlebt hätte? Würde ich sachliche Kommentierungen (s. FARANG-Kommentare) verfassen a´la  „Das rechtsempfindliche Verständnis aus der gelebten Aussage - ist hier nicht grösser - als das der Täter - und seiner Umgebung!“ und „Dank dem, dass sogar die zur Kritik fähigen Menschen - im reziproken Wert sagen: ich bleibe hier weil ich es liebe!! - entspricht indirekt - einer Ode an das Verbrechen!“ oder „Da es leider nur ein "Farang" war, wird wohl keiner mehr seinen Finger rühren.“ 
Ist das die ANTEILNAHME, die du traurig aus deinem Grab erhoffst? Warum tun sich in deinem Wohnort Koh Samui nicht die Ausländer aller Nationalitäten zusammen und demonstrieren, machen Mahnwachen, protestieren JEDEN TAG vor der Polizei und vor dem Gericht und vielleicht auch vor dem Bürgermeisteramt gegen eine Ermittlungsbehörde, die angeblich ein Wirtschaftsunternehmen ist. Anpassung? Angst? Nasse Hosen beim bloßen Gedanken an Proteste? Da wird sich NIE etwas verändern und die gelangweilten Nörgler trinken weiter ihr abendliches Bier - Ausnahmen ausgeschlossen.

Ich bin auch der Meinung, dass wir hier in einem ganz anderen kulturellen Umfeld mit einer anderen Geschichte leben. Das bedeutet aber nicht, dass ich meinen kritischen Verstand und mein Engagement am Visaschalter der Immigration abgebe. In unserer völlig vermüllten Siedlung habe ich ein halbes Jahr lang jeden Tag den Müll an den Straßen und Waldrändern in 33 riesige Säcke gesammelt. Außerdem haben wir 10.000  große DIN A3-Flyer mit vielen Bildern und Texten in Thai gedruckt und überall verteilt. Es war die Absicht eines guten Beispiels. ABER wenn Leute weiter ihren gesamten Müll oder Bauschutt am Waldrand deponierten, habe ich daneben Schilder in Thai in den Boden gerammt mit dem Text: „Hier waren Schweine!“ Respekt vor den kulturellen Unterschieden ja, aber Anpassung und Arschkriechen nein. 

Und das achselzuckende Tolerieren von Verbrechen und Korruption wird auch von mir als Ausländer bekämpft. Ja wohl, das sage ich all den Gutmenschen und Ignoranten, die Worte wie Engagement, Mitgefühl, Anteilnahme oder gar Empathie nicht kennen: Im Notfall reagiere ich so, wie der Thai-Vater. Und auch ein korrupter Polizeichef wird dran glauben müssen. 
Das wollte ich dir und deiner Familie und deinen Freunden nur mal gesagt haben. Nichts ist vergessen! Zumindest nicht von allen. Das konntest du ja in einigen Kommentaren lesen. Dass du aus meiner Heimatstadt Düsseldorf kommst, ist schön, aber eine Nebensache. Auch wenn du aus Castrop-Rauxel oder München kämst, würde ich so fühlen.

Manfred Spies, 20.8.2015
PS. Es wäre natürlich beeindruckend, wenn auch nach dem 20.8. in Kommentaren an dich gedacht würde.