Agapimu, Costa Gavras! Und herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag heute, am 12. Februar! Und Gesundheit und noch ein langes Leben!
Costa Gavras 2015 bei den Filmfestspielen in Cannes |
Ja, ich habe eine große Zuneigung zu diesem Mann, dem ich mehr verdanke als allen meinen Lehrern. Den hätte ich gern als Vater gehabt!
Er mir gezeigt, dass politisches Engagement nicht nur ein Recht ist, sondern auch eine Pflicht. Und eine Freude. Er hat mir gezeigt, dass Verstand und Gefühl keine Gegensätze sind. Er hat seine politischen Filme so emotional inszeniert, dass sie verstanden und damit gefährlich wurden. Nur ein paar blöde Intellellen glaubten, dass das "populistisch" sei und ein politischer Film gar keinen Erfolg beim Publikum haben darf, weil er dann „bürgerlich“ sei.
Ja, wir haben es immer wieder zu tun mit Blödfrauen und -männern, die Vokabeln plötzlich zu Schimpfworten machen (Populismus) und damit ihre Ahnungslosigkeit offenbaren. Man sollte mal vorher im Lexikon oder bei Wiki nachsehen. Aber wir leben ja angeblich in einer "postfaktischen" Zeit, und da denkt man nicht sondern plappert. (Übrigens "postfaktisch" ist auch so ein Blödsinn, denn schon Sokrates wollte vor 2500 Jahren mit verständlichen, populistischen Methoden die Bürger dazu bringen, nicht zu glauben, sondern sich um Fakten zu kümmern.)
Ich schweife ab. Es geht um einen der großartigsten Filmregisseure aller Zeiten. Er ist unterbewertet und seine Meisterwerke haben zwar auch Oscars gewonnen, waren in Frankreich Kassenerfolge, aber in Deutschland laufen sie nur auf arte und nachts. Ich habe den Film "Z" 1970 etwa ein halbes Jahr nach dem Start in Deutschland in einem "Filmkunst-Kino" in Düsseldorf, dem Berolina auf der Berliner Allee gesehen. Nie liefen die Filme von Costa Gavras in Deutschland in den Massenkinos.
"Z"war der erste Film, den ich von Costa Gavras sah. Ich schäme mich nicht, noch nie in meinem Leben nach einem Film dermaßen geheult zu haben. Raffiniert erlebt man bis zum Ende des Film eine aufregende Geschichte, bei der letztlich zur Freude der Zuschauer die Gerechtigkeit siegt. Doch im Abspann kommt der Hammer. Alle Freiheiten eines Volkes, auch ihre Volksmusik und ihre Dichter wurden ebenso verboten wie große Teile ausländischer Literatur, RocK-Musik, lange Haare usw.. Für einen jungen Mann wie mich aus einem mit Schlägereien und Möbel-Werfen umkämpften Nazi-Elternhaus, für den FREIHEIT das höchste Gut überhaupt bedeutete, war der Abspann des Films "Z" vollkommen unerträglich. Später sah ich die anderen Filme von Costa Gavras. Auch in "Vermisst" entlässt er die Zuschauer hoffnungslos oder mit der Idee, sich einem bewaffneten Widerstand anzuschließen. Ja, was denn sonst, verdammt noch mal?!
Später habe ich auch ein Zitat von Costa Gavras in einem meiner Großplakate umgesetzt:
"Der einzige Reichtum, der durch Verschwendung größer wird, ist die Liebe." Fand ich genau so wichtig wie das Zitat eines anderen politischen Kämpfers:
"Wir müssen stark werden, ohne je unsere Zärtlichkeit zu verlieren." (Che)
Nur zur Information über Costa Gavras einige Zitate aus einem SPIEGEL-Artikel von 2003:
"Tatsache ist, dass der am 12. Februar 1933 in Loutra-Iraias (Arkadien) geborene und seit 1954 in Frankreich lebende Constantin Costa-Gavras wie kein anderer Cineast dem zugleich anspruchsvollen und massenwirksamen Poltthriller seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt hat."
"Wenn man von John Frankenheimers wegen des Kennedy-Attentats lange Zeit aus dem Verkehr gezogenen "Botschafter der Angst" (1962), Stanley Kubricks Weltuntergangskomödie "Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben" (1963) und Henri Verneuils "I wie Ikarus" (1979) einmal absieht, schuf der Sohn eines griechischen Widerstandskämpfers 1968 mit "Z" das absolute Meisterwerk des Genres."
"Ähnlich wie Orson Welles als Harry Lime in "Der Dritte Mann" dominiert Yves Montand "Z" auch im Unsichtbaren - er ist nämlich nur in der ersten halben Stunde zu sehen, doch seine persönliche Integrität verleiht auch dem von ihm verkörperten pazifistischen Doktor der Medizin Glaubwürdigkeit. Ihm steht ein nicht minder großartiges, von Costa-Gavras behutsam geführtes Schauspieler-Ensemble zur Seite. Während Irena Papas die Trauer der Gattin des Ermordeten mit beklemmender Intensität greifbar macht, deutet der jugendliche Co-Produzent Jacques Perrin ("Nomaden der Lüfte") in der Rolle des rasenden Reporters seine Angst durch nervöse Fahrigkeit an. Jean-Louis Trintignant wiederum ist als konservativer, aber gerechtigkeitsliebender Staatsanwalt von einer Überzeugungskraft, die er zuvor und auch danach nie wieder erreichen konnte."
"Die Entstehungsgeschichte der Musik ist genauso abenteuerlich wie der Inhalt des Films." erinnert sich Costa-Gavras gut 35 Jahre später. "Mikis befand sich damals in Verbannung auf den Peloponnesischen Insel, wo er von zwölf Gendarmen bewacht wurde. Dennoch gelang es uns, ein Tonband herauszuschmuggeln, das er mit den Stücken besungen hatte. Sie waren Grundlage für die Arrangements, die mit ihm befreundete Musiker in Frankreich übernahmen."
"Neben dem Gewinn des Oscars als bester ausländischer Film wurde er 1969 zusätzlich in der ansonsten nur englischsprachigen Produktionen vorbehaltenen Kategorie "Bester Film" nominiert - ein bis heute einmaliger Vorgang in der Oscar-Historie. Unter den damaligen Regimes von Griechenland, Spanien, Portugal und Südamerika war "Z" hingegen lange Zeit verboten.
"Z" bezieht sich zwar auf die Ermordung eines griechischen Oppositions-Politiker im Jahre 1963 („Lambrakis-Affäre“), entstand aber vor dem Hindergrund des Putsches der griechischen Militärjunta am 21.April 1967.
Der Film "Z" ist für mich der wichtigste Politthriller, den ich mit auf die einsame Insel nehmen würde. Als poetischsten Film - auch vollkommen unterbewertet - würde ich das absolute Meisterwerk von Marcel Carné "Kinder des Olymph" mitnehmen. Nach vielen Wirrungen fragt am Ende nach vielen Jahren der Verliebte seine Geliebte , "Liebst du mich noch?" Sie antwortet, "In der Spieluhr ist eine kleine Feder gesprungen. Die Melodie ist noch dieselbe, aber es klingt ein bisschen anders." Wo findet man heute solch´poetische Sätze? Bei facebook sicher nicht und auch nicht mehr im Kino.
Kleine Geschichte zum Abschluss und zur Erklärung meiner Liebe zu Costa Gavras:
Seit Anfang der 70er-Jahre machte ich meist zweimal im Jahr Urlaub auf meiner Lieblingsinsel Naxos. Ich wollte nach Griechenland auswandern. Die Gastfreundschaft, die Musik, das Tanzen, diese bisher für mich unbekannte, köstliche Küche waren für mich Lebensfreude.
Nach dem Putsch vom 21.4.1967 demonstrierten die Obristen ihre Macht und errichteten überall "Siegestore" und schrieben in riesigen Lettern auf hohe Berge aller Inseln "21. APRIL". Ich erkundigte mich bei meinen griechischen Freunden, was sie unter "1. April" verstehen. "Ein Tag, an dem geschwindelt und gelogen wird", war die Antwort. In einer Nacht stieg ich mit einem Eimer schwarzer Farbe auf den Berg "Stelida" bei Naxos-Stadt und überpinselte die Zwei. Ohne den Pfeffer der Wut, den mir Costa Gavras mit "Z" in den Hintern geblasen hatte, würde ich zu so etwas keinen Mut gehabt haben.
Das Siegestor der Junta am Hafen von Naxos (klein im Vordergrund) wurde am Tag des Sturzes der Junta von den Bürgern abgerissen und sie tanzten drei Tage vor Freude. |
Links:
Costa Gavras
https://de.wikipedia.org/wiki/Costa-Gavras
WDR
Uraufführung von „Z“ am 26.2.1969 am 14.11.1969 in Deutschland
Manfred Spies, 12.Februar 2017