Sonntag, 23. Mai 2021

Besucher mit vielen Beinen

Ein ausgesprochen schönes Tier mit vielen Beinen ist ein nur maximal 5cm langer „Tausenfüßler“, über den ich nichts Näheres heraus finden konnte. Zu bestimmten Zeiten sind Hunderte an unseren Mauerwänden und auf den Terrassenböden anzutreffen.


Die viel größeren Tausendfüßler (Diplopeda) haben zwar viele Beine, aber es gibt keine mit annähernd 1000 Füßen. Sie haben ihren Namen „Doppelfüßler“, weil sie pro Körperglied zwei Paar Beine besitzen.

Ich hatte zuerst Respekt vor diesen bis zu 20cm langen Gliedertieren. Inzwischen weiss ich, dass es gemütliche, ungefährliche Vegetarier sind, die in bewundernswerter Weise ihre vielen Beine koordinieren können. Menschen stolpern ja bereits mit zwei Beinen.




Tausendfüßler zum Schutz zusammen gerollt



Etwas ganz anderes sind die Hundertfüßler (Chilopeda). Ich rate niemandem, sich in der Nähe dieser sehr schnellen und aggressiven Tiere aufzuhalten, ihr Gift kann tödlich sein.


gefährlicher Hundertfüßler, getötet

Warum man auf der Verpackung der sehr wirksamen Lutschtabletten gegen Husten und Halsschmerzem mit diesem Tier wirbt, konnte mir auch der Apotheker nicht erklären.



Ebenso unangenehm sind die in unserem Garten sehr seltenen Spinnentiere der Art Skorpione (Heterometrus). Die in Südostasien beheimatete, schwarze Art verfügt über ein schwaches Gift, gegen das es kein Gegenmittel gibt. Man muss also abwarten bis der brennen Schmerz und Folgeerscheinungen abklingen.




Also keine Angst vor allen Krabbeltieren. Nur Vorsicht. Und im Garten vor allem dort, wo Steine sind, nicht barfuß herumlaufen.


Manfred Spies, 

23.Mai 2021

Mittwoch, 12. Mai 2021

Krank in Thailand (4)

Wer in Thailand in ein Krankenhaus muss, hat private Kliniken oder städtische/staatliche Hospitäler zur Auswahl. Die Qualität der ärztlichen Versorgung ist gleich. Auch der König Bhumibol liess sich in einen städtischen Krankenhaus behandeln. 

Das Ambiente allerdings kann unterschiedlicher nicht sein.


Wohlhabende Ausländer mit einer privaten Versicherung legen sich natürlich lieber in die Betten der Privaten. Das ist verständlich. Allerdings entgeht ihnen dadurch Manches.

Es ist kein Witz, wenn man behauptet, alle Ausländer, die mit den vielfältigen Adventure-Anboten nicht mehr zu kitzeln sind, sollten sich einen Erlebnisbesuch der medizinischen Art in einem städtischen Hospital gönnen. 


Meine Krankenversicherung ersetzt keine ärztlichen Behandlungen und Verordnungen außerhalb Europas. Ich besuche also diese spannenden Orte aus finanziellen Gründen. Der Horror weicht nach einigen Tagen lächelnden Erinnerungen, wenn man wieder zuhause ist. Es gab Hospital-Situationen, die wie Tatorte filmreif waren.

In Korat auf der Intensivstation mit 40 Betten war das Personal ständig überfordert und konnte sich nur Tag und Nacht mit lautem Gequatsche und Lachen ablenken. 

Eines Abends kam Stress auf, als man sich um einen Sterbenden kümmern musste. Auch die beiden schwarz gekleideten Bewacher eines kriminellen Patienten halfen. Das nutzte dieser und versuchte stürmend zu türmen. Es entstand eine Schlägerei mit zwei Verletzten. Als er von den beiden Bewachern an den Armen gepackt blutend an meinem Stahlbett vorbei geführt wurde, trat ihn ein Pfleger als Zugabe kräftig in den Hintern. So etwas erlebt man in einer Privatklinik nur in dem Krimi, den man im Bett liest. 


NANA-Hospital, Pak Chong

Heute musste ich zur Stroke-Kontrolle ins städtische NANA-Hospital in Pak Chong. Termin 8 Uhr. Um 7:15 Uhr waren wir dort und reihten uns draussen mit einem der herum stehenden Rollstühle an einem „Check Point“ ein. An der Aussenmauer des Gebäudes waren alle 1,5 Meter Waschbecken und Seifenspender angebracht. Eine totale Fehlplanung: Niemand wusch sich an einem der 23 Becken die Hände. Alle benutzten di übrall heumstehenden Alkohol-Spender. Luck gab den Grund unseres Besuchs an und sie erhielt als Nichtpatient einen roten Aufkleber aufs Hemd gedrückt. 

Das Labor befand sich in der Zwischenetage. Da hielt kein Aufzug. Parallel zu den Treppen gab es Schrägen für die Rollstühle. Das Hochschieben ist auch mit meinen 72kg nur für durchtrainierte Typen zu schaffen. Also wieder Warten, bis einer in Nana-Kluft auftauchte. Oben wurde eine Nummer gezogen und ich war der 43ste. Auf dem schmalen und kurzen Flur war bei den vielen Menschen nicht der verordnete Abstand zu halten. Ich packte Lesebrille und den Krimi von Horst Eckert aus. Der Düsseldorfer Autor beschrieb Straßen, die ich alle kannte oder wo ich gewohnt hatte. Es war kurzweilig.


Kurze Unterbrechung durch eine zierliche Krankenschwester, die den Blutdruck maß und Größe und Gewicht notierte. Luck kannte und verstand meine Ungeduld, die aber nach inzwischen mehr als 15 Hospitalbesuchen einer relativen Gelassenheit gewichen war. Sie ging zu der Sekretärin und erklärte, das ich Stroke-Patient sei, Schmerzen nach einem Sturz habe und ausserdem als Diabetiker Zwischenmahlzeiten brauche. Angeblich übersprangen wir etwa 20 Wartende. Eine Mitarbeiterin kam bald zu uns. In Thailand eine Spritze oder einen Einstich zu bekommen, ist nach meinen Erfahrungen schmerzlos. Was haben die für Knülen im Gegensatz zu Deutschland? Dank der Hilfe von Luck war ich fix fertig.


Ich wurde wieder runter gerollt vorbei an beigefarbenen Wänden, von denen in einer bestimmten Höhe der gesamte Putz durch unachtsam geschobene Eisenbetten, Wagen und Elektrokarren abgekratzt war.

Nun hieß es wieder Nummer ziehen und warten auf das Laborergebnis und den Aufruf zum Neurologen. Die Mediziner der unterschiedlichsten Sparten hatten ihre „Praxen“ rechts und links eines riesigen Saales, in dessen Mitte etwa 100 grüne Plastik-Stühle in Reihen standen und auf jeder Seite Sekretariate abgeteilt waren für die Interrnisten, Neurologen, HNO-Ärzte, Orthopöden usw.. Nur jeder zweite Sitz durfte benutzt werden. Die nicht sesshaften Patientinnen und Patienten warteten vor der Halle. Eine Menschenmenge saß dort auf dem Boden, auf Stuhlreihen, auf von mir gezählten 37 Rollstühlen oder sie standen, hatten ihre Becher in der Hand oder mampften ihr Frühstück mit herunter gezogenen Atemmasken. Die Stimmung war locker, man quatschte miteinander. Es sah aus, wie auf einem Fest. Nur wusste man nicht, was gefeiert wurde.


Luck legte mir einen doppelten Atemschutz an, besprühte dauernd meine Hände mit dem Alkohol-Spray und war in Panik, weil die Rollstühle dicht an dicht standen. Neben mir saß ein junger Mann in seinen Rolli geklemmt. Seine Oberschenkel hatten etwa den Umfang von Lucks Taille. Die Augen in dem feisten Gesicht waren nur Schlitze. Er machte ein Nickerchen und schreckte nur manchmal hoch, wenn heulend ein schwerer Elektrowagen mit Mülltonnen, Wäschesäcken oder riesigen Paketen sich durch die Menge drückte. Dauernd wurden Metallbetten herein und heraus geschoben mit alten und jungen, verbundenen und durch einen Tropf versorgten Patienten. Junge Frauen mit nur wenige Wochen alten, in Tücher gewickelten Babys im Arm, humpelnde alte Frauen und wankende alte Männer drängten sich durch die Wartenden. Ununterbrochen mischte sich Marschmusik mit den lautstarken Lautsprecher-Durchsagen der Patientennummern und allgemeinen Corona-Warnungen. Das Krankenhaus schien insgesamt eine „Intensiv“-Station zu sein.

Luck gab mir die schwere Tasche mit ihren Utensilien, meinen Unterlagen und den mitgenommenen Lebensmittel und der Thermosflasche. Ich hatte ja noch kein Frühstück und der Magen meldete sich. Sie stand nun schon stundenlang, katte keinen freien Sitzplatz, und ihr tat de Rücken weh. I.


Plötzlich wurde es laut und hektisch. Eine alte Frau war in ihrem Rollstuhl zur Seite und dann bewusstlos nach vorn gekippt. Ein Durcheinander, Gedränge, Rufe nach einem Arzt. Der kam kaum durch zu der Frau, bat die Glotzenden zurück zu treten und untersuchte kurz. Dann sah er sich hektisch nach einem Bett um, fand keins und schob die Freu rennend zum Aufzug. Der war wegen Corona und der Gefahr mangelhafter Abstände gesperrt. Der Arzt schob die Frau eilig vor sich her in die obere Etage. Im Flur legte sich dieAufregung, man hatte wieder etwas zu bequatschen.


Nach drei Stunden kurzweiligen Aufenthalts in der Klinik wurde meine Nummer aufgerufen und der Arzt betrachtete in seiner Praxis meine Blutwerte. Diese Ärztezimmer hatten etwa die halbe Größe unseres Badezimmers. Es gab nur einen winzigen Tisch, auf dem der Bildschirm stand und zwei Stühle. An der Wand hing ein Ganzkörper-Schaubild der Anatomie eines Mannes und daneben das Bild eines Kopfes mit Gehirn oder dem, was man bei den Patienten an dieser Stelle vermutete.


 Der Doc machte einen Wai ohne mich anzusehen und erklärte meiner Frau, meine Blutwerte seien sehr gut und man könne jetzt die Vitaminpillen weglassen. Ich soll nicht auf hohe Leitern steigen, herum hüpfen und schwere Lasten tragen. Er hatte mich überhaupt nicht beachtet und meine Krücken nicht wahrgenommen. Er schrieb etwas auf die von Luck mitgebrachten Zettel und Luck bat ihn, eine Überweisung für den auf der anderen Seite des Sales residierenden Orthopäden zu schreiben. Nach drei Minuten waren wir wieder draussen.


Wir rollten auf die andere Seite und zogen wieder eine Nummer für die Orthopäden-Stipvisite. Ich fragte nach der Nummer des am nächsten zu den Arzttüren sitzenden Patienten. Es waren noch 36 vor uns dran, für jeden der beiden Ärzte 18 Patienten, das war nicht viel. 

Da vor der Arzt-Besprechung aktuelle Röntgen-Bilder gemacht werden sollten, bekam Luck vom Sekretariat einen entsprechenden Schein. Wir warteten auf einen Rollstuhl-Schieber und reihten uns vor dem Röntgenraum in die Patienten-Schlange ein. Durch ein großes Fenster, das anscheinend nach dem Einbauen vor vielen Jahren von Reinigungskräften bisher sehr schonend behandelt wurde, stolperte mein Blich über massenhaften Müll, der zwischen den fast vertrockneten Pflanzen des Innenhofs lag.

Als sich die große Schiebetür für mich öffnete, schien ich in eine andere Wlt zu kommen. In einem sehr hellen Raum dominierten riesige Röntgenmaschinen mit Edelstahlelementen und weißen Verkleidungen. Auf einem großen Tisch liegend überließ ich mich den beiden in Spezialanzügen steckenden Frauen, die drei Aufnahmen meines Oberschenkels machten.

 

Als wir zum Flur vor der Halle zurück gebracht wurden, wäre ich fast aus dem Rollstuhl gerutscht: Die Rampen neben den Treppen sind sehr steil. Eine Fixierung beim Runterfahren gibt es nicht.


Während wir in dem überfüllten Raum nach einem Parkplatz suchten rempelte mich ein Thai mit Fußfesseln an. Sein schwarz gekleideter Bewacher entschuldigte sich bei mir. Der linke Arm des Gefangenen war bandagiert, das mürrische Gesicht zierte ein Veilchen. 

Gefängnis-Krankenstationen gibt es nur in den Großstädten.


Ich las ein paar Seiten. Bei Horst Eckert wurde gerade in einer Villa eine Leiche mit SM-Utensilien drapiert. Vor meinen Augen ging es harmloser zu. Ich beobachtete die Vorbeilaufenden und zählte 72 Personen in einer Minute. Hospital-Rush-Hour?

 

Diesen Raum hatte man seit meinem letzten Besuch umgebaut. Auf einer Längsseite gab es jetzt acht Schalter des „Pharmacy Department“.  Wenn die Nummer aufgerufen wurde, eilte man zu dem  Schalter mit der roten Acht, zeigte seine Zettel und bezahlte Arzt und Rezepte. Mit den Quittungen holte man sich an den anderen sieben Schaltern die Medikamente.

Nach 40 Minuten wurde von der Orthopädie-Abteilung meine Nummer aufgerufen. Ein Schieber bugsierte mich zum Arzt. Ebenso wie vorher beim Internisten nahm auch diese Arzt wenig Notiz von mir. Gemeinsam mit Luck schaute er sich die Bilder auf dem Bildschirm an und erklärte: Zehn Jahre hat das Titan-Implantat gut gehalten. Nach meinem Sturz ist evtl. alles locker geworden und bei Belastung schiebt sich der Knochen mit dem Implantat weiter nach oben. Ich fragte, wann es soweit kommt, dass es mich beim Sprechen stört. Er verstand meinen Scherz nicht.

Ich solle das Bein nicht belasten, am besten nur liegen und keinesfalls Treppen steigen. Eine Einladung zum Suizid.


Tatsächlich hatte er sich mehr Zeit für mich genommen. Nach fünf Minuten war ich wieder draussen.

Luck zog am Pharmacy Department eine Nummer und nach einer weiteren Stunde wurden Ärzte, Blutuntersuchung, Röntgenbilder und neue Medikamente bezahlt:alles zusammen 1860,. Baht (etwa 50,- Euro)


Um 13 Uhr begrüßten mich zuhause die Hunde und ich wurde mit der Hilfe von zwei Frauen und dem Gärtner ins Haus gehieft. Luck war durch das lange Stehen, Herumlaufen und durch die Sorge um eine Ansteckung völlig kaputt. Ich riet ihr, sich in ihrer Lieblingsliege von Cousier auszuruhen und die Küche zu meiden. Mir reichte eine Fruchtjoghurt als Mittagessen…..


Resümee: Thailand hat eine Bürokratie-Leidenschaft, die selbst deutsche, pedantische Amtsschimmel neidisch wiehern lässt. Wie oft mussten wir Nummern ziehen? Wir warteten fünf Stunden und wurden incl.  Blutabnahme und Röntgen 14 Minuten behandelt. Ein deutscher Hospital-Manager müsste hier nach einem Monat selbst auf die Intensiv-Station…. 


Manfred Spies, 10.5.2021