Montag, 28. Dezember 2020

FAMILY SAD SONG (Short Story)


Die ist eine Kurzgeschichte über Kultur und Leben in Thailand. Namen sind frei erfunden. Bezüge zur Wirklichkeit und Übereinstimmungen mit Ereignissen sind nicht zufällig, sondern gewollt. 


Family-Sad-Song


Die Thailänderin hatte den Farang auf dem Berliner Thai-Markt kennen gelernt. Oder war es umgekehrt und er hatte sie kennen lernen wollen, weil sie so hübsch, exotisch und jung war?

Sicher ist nur, dass die Frau nach der Hochzeit vor 9 Jahren nichts mehr auf dem Thai-Markt verkaufen wollte. Der Mann war nach der Wende mit billig erworbenen Ost-Immobilien reich geworden und wollte nach dem Rentenalter mit seiner Frau das Leben in Thailand genießen. 

Dort wartete ein inzwischen 12jähriger Sohn der Frau, den diese zusammen mit einem bettflüchtigen Mann gezeugt und in die Welt geworfen hatte. Aufgefangen wurde das Kind von den Großeltern. Die Erziehung war traditionell, das heisst, es wurde dem Söhnchen alles erlaubt. Die Großeltern waren nicht arm und nicht angewiesen auf Überweisungen aus Berlin.

 

Etwa 20 Kilometer ausserhalb der Kleinstadt wohnten die Eltern und hatten viel Land. Das neue Haus, ein Gästehaus und der Pool wurden gebaut. Das elterliche Haus brauchte eine Vergrößerung, weil man ja im Alter mehr Auslauf benötigt. Und die zunehmend anreisende Verwandtschaft konnte nicht nur im Gästehaus untergebracht werden. 

Der inzwischen sechzehn Jahre alte Dee hatte Probleme in der Schule. Er beschäftigte sich mit seinem Smartphone und spielte, doch diese Kenntnisse wurden leider in der Schule nicht verlangt. Der Ersatzvater Hans hätte sich drum kümmern können, aber er war froh, die Kontakte zu seinen neuen Golffreunden pflegen zu können.

Ein Privatlehrer sollte helfen. Doch dieser schmiss trotz guter Bezahlung hin, weil der aufsässige Junge immer wieder den Raum verließ und auf seinem Moped verschwand. Dee war wohl der absolut falsche Name für ihn.


Der auf Entspannung und Freude im Land des Lächelns hoffende Immobilienmakler Hans wurde enttäuscht. Schon beim Hausbau, dessen Bauaufsicht der Bruder seiner Frau gern übernommen hatte, lernte er viel über die Exotik des neuen Landes. 

In den Plänen vorgesehene Elektrokabel mit drei Phasen hatten im ganzen Haus nur zwei Drähte. Es gab Wasserflecken an Wänden, weil die Leitungen nur locker zusammengesteckt und nicht verklebt wurden. Wo Dimmer im Plan vorgesehen waren, wurden schlichte Lichtschalter montiert. Die Internet-Leitung wurde vergessen und musste auf Putz verlegt werden. Das Haus wurde vier Monate später als vereinbart fertig und die Container-Einlagerung war teuer. Die vollautomatischen Markisen funktionierten bereits nach fünf Monaten nicht mehr. 

„Nun versuch mal zu reklamieren und auf Garantien zu verweisen, wenn du es mit der Verwandtschaft zu tun hast“, erklärte er seinen neuen Golf-Freunden. In dieser Runde fand er Zuflucht und  Bestätigung.

 

Daniel aus der Schweiz deponierte seine Thai-Frau in Zürich und hier tummelte er sich auf der Thai-Wildbahn. Er hatte einer Thaifreundin 400.000 Baht mit Vertrag  geliehen für den günstigen Kauf eines Thaksin-Hauses. Das war ein immer noch gültiges Sozial-Programm des ehemaligen Regierungschefs, mit dem tausende Bürger in den Besitz eines kleinen, zweistöckigen Hauses kommen konnten. Daniel bekam zwei Raten zurück, danach war Ende. Den Vertrag zerpflückte der Anwalt der Freundin.


Ralph aus Braunschweig verschwand spurlos in seine alte Heimat. Er verlor seine schöne Hütte mit Grundstück und Pool, die natürlich auf den Namen seiner Thaifrau eingetragen waren. Die familienhörige Frau hatte angeblich für ihren Bruder vom ortsansässigen Chinesen-Clan 4 Millionen mit Horrorzinsen geliehen. Wie sollte das zurück gezahlt werden? Die Chinesen kannten kein Erbarmen und hatten ein weiteres Haus.


Charly aus England wachte morgens angezogen im Bett liegend neben einer ihm völlig unbekannten, jungen Thailänderin auf. Wie er betrunken mit seinem Nissan nach Hause gekommen war, wusste er nicht. Nach dem gemeinsamen Frühstück folgten noch reichlich andere Gemeinsamkeiten und die Frau wusch, bügelte, nähte und kochte monatelang für ihn. Natürlich bekam sie Kleidung, Wohnen, Essen, Schmuck und andere Zuwendungen und etwas Geld für die kranken Eltern, die Charly allerdings nie zu Gesicht bekam. Als er wieder für ein halbes Jahr zurück nach England musste, konnte seine Freundin im Haus wohnen bleiben, die Katze und den kleinen Garten versorgen. Nach einem halben Jahr kam Charlie in ein leeres Haus, auch das Moped war weg. „Hätte ich sie vorher zu Haus besuchen sollen, mir Kopien von ihrem Pass machen sollen? Das hätte nichts geändert. Sie hätte mir irgendwann geschrieben, es sei eingebrochen worden.“


Ja, Hans hörte viele Geschichten. Er war sicher: Das passiert mir nicht. 

Dee wohnte inzwischen im Gästehaus mit Kumpels und Freundinnen. Hans beschwerte sich ein paar Mal, weil sie tagsüber und nachts drinnen und draußen und im Pool Party machten. Die Boxen dröhnten so laut, dass er auch mit Oropax nicht schlafen konnte. Über seine Beschwerden wurde gelacht, seine Frau schwieg ebenso wie die Großeltern. Als er eines Abends zwei Girls aus der Küche werfen wollte, weil die ihre Kochkünste auch an seinem Herd testen wollten, kam es zu Handgreiflichkeiten. Dabei wurde das dünne Kleidchen eines Mädchens beschädigt und ihr BH abgerissen. „Er wollte mich vergewaltigen“ erklärte sie anderentags der Polizei und die Freundin bestätigte es. Das war Hans zuviel.


Als der Club unterwegs war, packte Hans alle Sachen der Clique in Plastiktüten und legte sie vor das Rolltor, dessen Schloss er erneuern ließ. Auch die Eingänge zum Gästehaus wurden neu gesichert. Ein Golffreund besorgte ihm sofort einen Schäferhund eines russischen Hundezüchters. 


Hans musste für zwei Wochen geschäftlich nach Berlin. Als er zurück kam, waren sein Range Rover und sein Ducati Motorrad weg. Seine Frau beteuerte, Dee habe sich das gegen ihren Wunsch für Touren mit seinen Freunden geliehen. „Er ruft alle drei Tage an. Er braucht inzwischen etwas Geld.“ Was sie flüssig machen konnte, habe sie ihrem Sohn schon geliehen.


Hans legte bei der Polizei seine Papiere vor und ließ die beiden Fahrzeuge zur Fahndung ausschreiben. 


Die Großeltern kamen zu Besuch und es wurde Thai gesprochen. Dann bat seine Frau ihn flehentlich, ihr 20.000 Baht zu geben. „Die Kinder sind pleite.“ Zum ersten Mal drehte Hans durch und schmiss die Murano-Vase an die Wand. Es wurde eine laute und wortreiche Auseinandersetzung und Hans brüllte: 

„ Aus der Traum! Von mir keinen Baht mehr!. Warum fragst du nicht deinen Vater, der ist nicht arm.“ 

„Weil du mein Mann bist und ich bin die Mutter von Dee!“


Die Eltern und die Tochter zogen sich zu einer Konferenz zurück. Hans holte sich den zweiten Whisky. 


„Mein Vater meint, die Familie in Thailand ist heilig. Wir halten immer zusammen. Wenn du nicht mitmachst, gehörst du nicht zu uns. Das Grundstück und das Haus gehören mir….“. 

Hans erinnerte sich an die Gespräche mit den Golf-Freunden. Er wusste sofort: Das ist der Anfang vom Ende.




Am nächsten Tag fuhr er zur Bank und ließ alle Konten für seine Frau sperren und hob Geld für sich ab. Dann fuhr er zu dem Russen. Der wird wohl nicht nur Hunde züchten, dachte Hans. Drei Tage spät hatte er einen Revolver und Munition.


Die Polizei meldete sich. In Chiang Rai hatten die Kollegen Probleme mit Jugendlichen wegen überhöhter Geschwindigkeit bekommen. Die Nummern stimmen. Man kannte ihre Hoteladresse. Jetzt waren die Fahrzeuge weg, angeblich geklaut, aber wahrscheinlich nach Laos verhökert.


Der Druck auf Hans wurde massiver. Mehr Geld oder Abreise. Songkran war in zwei Wochen, Bis dahin sollte eine Entscheidung fallen.

Hans erklärte sich freundlich einverstanden und schlug ein Abschiedsessen vor. Songkran trifft sich die ganze Familie, guter Termin. 

Alle wurden eingeladen, um zu erfahren, was im Haus bleiben soll und wer etwas mitnehmen kann. Dee wurde auch verständigt. Er kam mit der angeblich Vergewaltigten.


Man trank und aß mit Gesichtern, als würde der letzte Bissen im Mund explodieren. Dann klopfte Hans an sein Glas und sprach:


„Ich habe aus Liebe geheiratet. Aber man sagt, Liebe mache blind, hahaha.  Ich habe in Deutschland und hier alles bezahlt, obwohl ich nicht der einzige von uns bin, der Geld hat. Aber ihr glaubt, wir in Europa arbeiten nicht ein Leben lang hart und sparen unser Geld. Ihr glaubt, wir haben einen Euro-Kacker im Keller und teilen danach unser Glücksgeld gern mit denen, die uns angeblich lieben. 

Aber hier gibt es keine Liebe, hier gibt es für einen Ausländer keine Familie, wir bleiben immer draussen. Es zählt nur das Geld. 

Ist doch seltsam: Es gibt keinen einzigen armen Ausländer, der eine reiche Thailänderin geheiratet hat. Das ist angeblich alles eure Kultur. Aber fast alles von mir zu nehmen und mich dann zum Gehen zu zwingen, ist keine Kultur.“


Dann erschoss Hans den Vater und seine Frau, er erschoss seine Frau und ihren Sohn Dee, zuletzt sagte er zu der angstvoll kreischenden Freundin, „Jetzt bekommst du es wirklich mit Gewalt“ und erschoss sie und dann sich selbst. 


In den Zeitungen stand: Durchgedrehter Farang tötete Thai-Familie.



Copyright: Manfred Spies 2020


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