Im Geburtsort von Luck - Buriram - starb vor vier Tagen ein Verwandter. Familienmitglieder auch aus Südthailand reisten an zur Trauerfeier und Einäscherung. Als sie danach ins Flugzeug, in die Züge, Busse und Autos gestiegen waren, starb nebenan in Buriram die Schwägerin von Luck. Nun müssen alle noch einmal anreisen und Luck ist auch das Wochenende weg. Ich kann ja nicht mitkommen (und will es auch nicht), weil ja niemand hier ist, der sich um die Hunde kümmert.
Die Schwägerin war 21 Jahre jünger als ich. Der kleine Bruder von Luck ist schon lange tot. Er war der Einzige, der die Farmen der Eltern erben und bearbeiten wollte. Aber er war auch lebenslustig, sorglos und rauchte mehr als der Schlot bei seiner Verbrennung.
Frage: Wie wird man um mich trauern? |
Frage: Soll man die Asche ins Meer streuen? Wird jemand meinen Gedenkstein pflegen? |
In meinem Alter hat man nicht nur die "Hälte seines Lebens" hinter sich. Wenn man kein Feind, kein Verleumder des Todes ist, beschäftigt man sich mit ihm, wie mit einem höflichen aber etwas rätselhaften Nachbarn. Wann kommt er? Wie wird es sein, wenn er nicht wieder weggeht? Was ist danach, verdammt noch mal!? Viele glauben irgend etwas seit tausenden Jahren Menschheitsgeschichte, aber keiner weiss Genaues.
Ob Zurückbleibende trauern, wie viele es sind und ob sie sich um Geld, Möbel, Bilder, Bücher und Antiquitäten streiten, wenn der Rauch des Schornsteins noch nicht ganz weg geweht ist, wird bei solchen Fragen nebensächlich.
Der Tod ist in meinem Leben ein Kumpel geworden. Er stand so oft neben mir, legte die Hand auf meinem Arm, nahm eine Erfrischung, die ich ihm anbot - mal ein eiskaltes Wasser, mal einen Schnaps - und ging ernst wieder weg. Niemals kam er, weil ich krank war.
Mal stand er im Garten in Clausthal-Zellerfeld, als ich eine Rasierklinge einen Millimeter neben meiner Pulsader stecken hatte. Polnische Plünderer hatten die Klingen verärgert in die Kinderbetten geworfen, weil sie nichts zum Mitnehmen fanden; mal sah er zu, wie ich das Gewehr eines Grenzschützers im Rücken hatte; mal lag ich in Düsseldorf unter der Straßenbahn Linie 7; mal wurde ich in Naxos vor dem Ertrinken gerettet; mal lag ich bewusstlos mit einer Hypoglykämie einsam abends am kubanischen Strand, mal kam mir ein Geisterfahrer entgegen und ich landete nicht an sondern neben einem Baum.
Als das zum fünften Mal geschah, änderte ich mein Leben, verkaufte den Betrieb und arbeitete für Hilfswerke. Ich dachte, ich sollte etwas zurück geben.
Als das zum fünften Mal geschah, änderte ich mein Leben, verkaufte den Betrieb und arbeitete für Hilfswerke. Ich dachte, ich sollte etwas zurück geben.
Aber das ist schon lange her und es hat sich viel Neues ereignet. Ich weiss, dass der Tod jetzt immer in meiner Nähe ist. Wir reden manchmal miteinander, obwohl wir uns nicht sehen.
Freitag, 19. April 2019
Manfred Spies