Sonntag, 20. November 2011

Innenräume - Selbst ist der Mann(fred)-Lampen

(Achtung: alle Fotos lassen sich durch Anklicken vergrößern und als  >> Original betrachten)

Die Flut und das Hochwasser in den thailändischen Provinzen und in Bangkok haben inzwischen fast 600 Tote und Milliardenschäden verursacht. Viele Familien - auch in unserem direkten Umfeld - haben alles verloren außer den gemauerten 4 Wänden. Der Staat unterstützt diese Familien mit je 5000,- Baht. Das sind nur etwa 120,- Euro pro Verlust der gesamten Einrichtung und erscheint sehr wenig, aber es summiert sich bei 600.000 Betroffenen auf eine Milliardensumme. Zum Glück helfen inzwischen viele Staaten.
Verglichen mit solchem Unglück ist der inzwischen überall zu bemerkende Mangel an Gütern lächerlich. Aber in den letzten Wochen waren so viele der Straßen, die aus Bangkok in die Provinzen führen ebenso wie Schnellstraßen in den Provinzen selnst unpassierbar, so dass ein Transport lebenswichtiger und vor allem weniger notwendiger Güter unmöglich wurde. Die Hochstraßen wurden zum Parken der Autos benutzt.




Selbst nach Bangkok zu fahren war nur über stundenlange Umwege und für teures Geld möglich. Der Future Park, ein riesiges Areal mit allen Kaufhäusern, Supermärkten und modernen Möbelzentren, war wegen des Hochwassers nicht erreichbar und geschlossen. Inzwischen bessert sich die Lage, und das Fernsehen zeigt lachende Gesichter in Boten auf den überfluteten Straßen. Es werden zur Aufheiterung Regatten veranstaltet.

Wir hatten schon lange auf die Eröffnung des größten Möbelhauses in Thailand gewartet, um einige noch fehlende Teile einzukaufen. IKEA hat im Süden von Bangkok für Waren auf 40.000 Quadratmetern gebaut und am 3. November tatsächlich eröffnet. Die ersten 20 Millionen Baht werden gespendet. Ein Weg dorthin ist aber für uns noch lange „ins Wasser gefallen“, so dass ich mich zum Improvisieren und Eigenbau entschloss.

Die zwei Meter lange Badlampe mit 10 Strahlern über den beiden Waschbecken war schon lange begonnen, aber wegen der Schwierigkeiten immer wieder zurückgestellt: Die Schweißerei für Edelstahl hatte eine Hülle gebaut, die zwar 4500,- Baht kostete, aber eigentlich für den Müll war. Eine verbeulte und in sich verzogene Edelstahlhülle lässt sich nur schwer über den Lampenkorpus stecken und sieht außerdem nicht „edel“ aus. Trotzdem wollte ich es versuchen, mich aber bis zuletzt davor drücken.

Über den Bildern an der Bücherwand sollte eine Wandlampe gestreutes und dezentes Licht spenden. Eine Strahlerleiste kam wegen der flexibel an Perlonschnüren und an der Bilderleiste befestigten Prints nicht infrage. Bei IKEA im Thai-Katalog fand ich etwas, aber...(s.o.) Also plante ich, meine Lampenidee aus Düsseldorf zu perfektionieren. Das größte Problem war, eine Abdeckung für die vielen Lüsterklemmen und Anschlüsse zu finden. Aus starkem Draht wurden die Halterungen befestigt. Sie wurden so unregelmäßig gebogen, dass sich kein langweiliges, einformiges Bild ergab. Daran befestigrte ich die weißen Kabel und die weiss gespritzten Fassungen. Drähte und Schrauben blieben ehrlich so wie sie waren. Am Schluss bog ich die einzelnen Teile in die richtige Position. Die Lampe kostete ohne Leuchtmittel 2,20 Euro und sieht schön aus.

Zuerst war Luck wegen der für sie hässlichen Drähte und freiliegenden Kabel skeptisch.


Zum fertigen Produkt an der Wand meinte sie: „Das ist keine Lampe, das ist Kunst.“




Das war sehr schön. Erstaunlicherweise sind auch alle konservativ eingerichteten Besucher von den vor der Granitwand stehenden grauen Hohlblocksteinen und allen anderen aus dem Baumarkt für die Einrichtung besorgten Elementen positiv überrascht.

Es sieht am Ende alles edel und teuer aus. Das Gegenteil ist der Fall. So kann man aus einem popeligen Billy-Regal etwas Besonderes machen, indem man fertig geschnittene, billige Marmor- oder Granitplatten drauf legt.




Nun war zuletzt die Badlampe an der Reihe. Nachdem ich die aufwendige Elektrik für die Lampenreihe montiert und verlötet hatte, kam die Edelstahlhülle zuletzt darüber. Und siehe da: Die Fassungen passten alle genau in die Löcher. Nun kann sich Luck ausreichend betrachten und ich werde mich besser rasieren können.



Was ist noch zu tun? Ein paar Bilder müssen aufgehängt und die Lampe über den Esstisch montiert werden. Das ist kein Problem. Die sechs Papierkugeln sind bisher das einzig Asiatische in unserer Wohnung, außer dem Elfenbein-Buddha und anderen Kleinteilen, die mein Patenonkel vor 90 Jahren aus Asien mitgebracht hat.


Nachdem es durch das Hochwasser und durch Krankheit mehrere Tote im Umfeld unseres Gartenbauers gegeben hat, wurden die Arbeiten fast fünf Wochen gestoppt. Jetzt geht es weiter und ist hoffentlich bald fertig - allerdings nicht mit so vielen Pflanzen, da diese wegen der Überflutungen aus seinem Betrieb nicht mehr zu bekommen sind. Aber es wird wunderbar. Ich melde mich glücklich mit neuen Bildern.

Übrigens: Das Gästezimmer ist ein Traum und macht mich auch happy. Für alle, die nicht nach Bangkok fahren können und für die Thailänder, die zum Teil sehr oberflächlich die phantastischen Details in den Tempeln betrachten, habe ich wunderbare Fotos aus dem Wat Pho an die Wände gehängt.



Apropos Fotos: Für Heiner Schmitz, Erika Koch, Uwe Lösch, Klaus Esser und andere Photo-Profis habe ich hier ein eigenes Hochhaus-Foto aus Bangkok. Die kitschbesessenen Thai bauen sogar Elefanten-Häuser. Aber es gibt über 200 zum Teil sehr schlecht fotografierte Skyscraper-Fotos aus Bangkok in einer Datei, die ich gern verschicke (4,5 MB). Warum geht keiner hin und macht einen professionell zu unterschiedlichen Tageszeiten fotografierten Bildband mit den interessantesten Wolkenkratzern in Bangkok? Reinhand Wolf und sein „New Yorck“ lassen grüßen. Wenn man das zusammen mit einem Sponsor macht und es gut wird, könnten neben dem üblichen, internationalen Verkauf auch Institutionen, Behörden, Firmen, Fluggesellschaften usw. Interesse finden und dieses einmalige Buch über Bangkok als Präsent verschenken oder anbieten. Mich haben die Anblicke der Hochhäuser vor allem im Morgen- oder Abendlicht immer fasziniert.



Manfred am 21.11.2011

Freitag, 18. November 2011

Thailand-Short-Story 2: Suchin

...Trotz der warmen, fast windstillen Nacht keine Moskitos. Wie ein hohes, schwarzes Gewölbe der Himmel mit unzähligen, verstreut angeklebten Lichtpunkten. Der Mond kommt spät.

Auf der Bühne am Pool beginnt die allabendliche Thaipop und Karaoke-Show. In schwarze Anzüge gesteckte Jünglinge bewegen sich weich zu ihren Kastratenstimmchen und thaimäßig grellbunt gekleidete Teenies piepsen in die Mikrophone. Als der Transvestit, der viel Busen und eine phantastische Figur zeigt, mit tiefer Samtstimme seinen Song startet, gerät das Publikum außer Kontrolle.
Neugierig schließe ich die Terrassentüre meines Hotelzimmers und gehe runter nach draußen an die Bar. Ich bestelle einen "Presidente-Cocktail" und der Keeper grinst. Er scheint mit dem Ausgang der Polit-Wahl und mit meiner Wahl zufrieden zu sein. Entspannt nippe ich und es schmeckt tatsächlich nach Rum, was an thailändischen Bars bei den Alkoholpreisen im Land des Lächelns selten ist.

Außerhalb der Reichweite, die eine zivilisierte Barkommunikation möglich machen würde, nuckelt eine jenseits des Twenalters zu kategorisierende Dame an ihrem Cocktail. Sie ist schlank, fast zierlich, wirkt aber sportlich. Um das, was an ihrem Körper noch wahrlich mädchenhaft geblieben ist mit Ausrufezeichen zu versehen, trägt sie weiße, hohe Turnschuhe, einen roten, dünnen Minirock und hat ihr ausgeschnittenes T-Shirt vorn zusammengeknotet.

Langsam dreht sie sich von der Bar zur Tanzfläche, stützt sich mit dem linken Unterarm am Tresenbrett auf, das rechte, durchgedrückte Bein wird Standbein und präsentiert sehr hübsch die Oberschenkelmuskulatur, während ihre Zunge mit dem Strohhalm ihres Cocktailglases spielt und sie mir über die rechte Schulter in Zeitlupe den Blick zuwendet. Richtiger ist, daß sie mein Kleidungsstück fixiert, eine ägyptische Djalabeia aus leichtem, schwarz-grau gestreiftem Stoff, der bequem und weit von den Schultern bis auf die Füße reicht, ohne daß ein einengender Gürtel den geraden Fall stört. Der Versuch, ihren Blick zu treffen, scheitert, weil sie woanders auf der Suche ist. Da ihre mäandernden Augen offenbar nichts Befriedigenden finden, bewegt sie sich lässig in meine Richtung und stellt frivol die übliche Frage: "Hast du da ´was drunter?" Sie erhält die übliche, im Normalfall die Konversation abschließende Antwort. "Zeigst du´s mir, dann zeig ich´s dir."
Ich bin vollkommen geplättet, als sie mir das Glas aus der Hand nimmt und sagt: "Okay, gehen wir ans Wasser." Natürlich meint sie nicht den Pool vor unseren und der Anderen Augen.

An Strand nimmt sie mich in die Arme und beantwortet mit einem leichten Streicheln meines Rückens unterhalb der Gürtellinie ihre Bar-Frage selbst. Erfreut, in befriedigender Weise fündig geworden zu sein, hebt sie mein Gewand, ohne in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. Völlig unaufgeregt ertastet sie Erregtes. Zufrieden entledigt sie sich sachgerecht ihrer wenigen Wäsche, sagt wieder "Okay" und unterbreitet mir ihr Angebot, indem sie sich in einen dieser verstellbaren Plastik-Liegestühle legt und ihre Beine über die niedrigen Armlehnen plaziert.
Vielleicht bin ich zu verklemmt oder zu verblüfft, um meinerseits mit einem anerkennenden "Okay" den Austausch von Begutachtungen zu beenden.

Ich mußte, um meiner unverhofften Barbekanntschaft und mir die erwünschte Freude verschaffen zu können, in einer Art Zweidrittelkniebeugenstellung tätig werden. Das war erheblich anstrengender und kräfteraubender, als die Sache an sich. Ich weiß nicht, wie anstrengend oder zufriedenstellend es für sie war. Erinnern kann ich mich, daß wir danach lange redend, lachend, und küssend nebeneinander im Sand lagen, und es darauf gar nicht mehr ankam. Sie hieß Suchin und kam aus Hua Hin...

© Manfred Spies

Samstag, 5. November 2011

Thailand-Short-Story 1: Sot

Der kleine Bach an der Pimparam Road war noch vor zwei Tagen eine Attraktion. Heftige Monsunschauer hatten ihn anschwellen lassen bis knapp an den Rand der Böschung. Hunderte Schaulustige standen auf der kleinen Brücke und warteten gierig darauf, dass sich erste Rinnsale und danach ganze Sturzbäche auf die schmale Strasse und dann hinunter ins Dorf ergießen würden.
Heute versteinert die brennende Sonne wieder das lehmige Ufer und unter der Brücke fließt cremig ein brauner Brei.

Der Imbiss der „Drei Schwestern“ döst in der Mittagshitze und nur dünne Rauchschwaden des Grills deuten auf gastronomische Tätigkeiten. Klaus der Tramper ist der einzige Gast. Er kommt jeden Tag. Das Essen ist immer frisch. Ländliche Thai-Küche und preiswert. Außerdem mögen den sportlichen Mann mit den hellen Augen, den langen, braunen Haaren und den Lachfalten um die Augen nicht nur die drei Schwestern. Die kleine Hündin Sot läuft ihm oft entgegen, wenn er mit seinem Fahrrad vom Dorf herauf zur Brücke fährt.
Klaus angelt sich aus dem auf dem Nachbartisch stehenden Gewürzkörbchen Fischsoße und Chili für seine Nudelsuppe. Die Schwestern beobachten ihn kichernd. Dieser Farang würzt sich die scharf zubereiteten Speisen noch nach!
Die auf der Strasse herum lungernden Straßenunde streiten sich um die Knochen, die Klaus ihnen zuwirft. Sot, die immer an seine Beine geschmiegt auf seinen Füßen liegt, will keine Knochen. Nur seine Nähe und das Kraulen seiner Hand an Nacken, Brust und Bauch. Die Schwaden der benachbarten Imbisse hängen wie blaue und gelbe Säcke in der Luft. Kein Windhauch verweht die Abgase der vorbeirollenden Lkw, Pickups und Motorräder.

Klaus wischt sich mit dem auf dem Tisch stehenden Klopapier Mund und Hände ab und zahlt. Er streichelt liebevoll Sot, packt seinen Rucksack und schwingt sich auf das Rad. Als er auf der Brücke ist, hört er Tawan. die Besitzerin von Sot, nach ihm rufen. Er stoppt und dreht sich um. Sot rennt mit seiner Mütze im Maul hinter ihm her. Der von rechts kommende Motorradfahrer winkt dem Mädchen an einem Imbistsand und ruft ihe etwas zu. 
Sot ist sofort tot. Die Yamaha war schnell und schwer.

Der gellend schrille Schrei des Deutschen läßt die ganze Umgebung für Sekundenbruchteile wie von einem Blitz aufgrellen. Alle reißen die Augen auf und stehen erstarrt.
Klaus wirft sein Rad auf die Strasse und rennt zu der leblosen Hündin. Immer wieder sagt er ganz leise ihren Namen. Der gestürzte Fahrer betrachtete seinen abgeschürften Ellenbogen und trottete auf den Flüsternden zu. Als Klaus seine Alkoholfahne riecht, legt er Sot vorsichtig auf den Boden, richtete sich auf und schlägt dem Fahrer mit der flachen Hand ins Gesicht. Blitzschnell folgt ein schwerer Hieb in den Magen. Als sich der Andere krümmt reißt ihn Klaus an den Haaren und knallt das Gesicht auf sein Knie. Der Mann fällt blutend zur Seite. Klaus packt das Motorrad und rollt es an die Böschung, brüllt Flüche und Verwünschungen in seiner Landessprache und lässt die schwere Machine hinunter in die lehmige Brühe fallen.

Neugierige, Erstaunte und Fassungslose stehen schweigend in einiger Entfernung. Die Besitzerin von Sot wäscht und verbindet den blutenden Fahrer. Klaus sitzt zusammengesunken mit dem toten Hund auf seinem Schoss vor der Türe des Imbisses. Als der rote Toyota vorfährt, zieht er seinen Ausweis aus der Brusttasche und gibt ihn wortlos und ruhig den uniformierten Männern.


 © Manfred Spies