Urs,-der Schweizer in Pakchong,
Besuch 30.8.2017
Ich hatte gehört, dass es dem Restaurantbesitzer Urs aus der Schweiz schlecht geht. Er war und ist ein starker Raucher. Nur noch ein Drittel der Lunge und Aids. Er sei auf den Rollstuhl angewiesen und habe nicht mehr lange zu leben. Ich fragte herum, ob ihn jemand in der letzten Zeit gesehen und besucht hat. Nein. Also entschloss ich mich, über diesen Mann eine Geschichte zu schreiben. Immerhin war er der erste mit einem Farang-Restaurant in Pakchong. In seinem Laden wurden angeblich schöne Geburtstage, Weihnachts. und Sylvesterfeiern veranstaltet. Ich wollte ihn nach seinem Leben, seinem Glück und seinem Leiden befragen und wissen, was in seinem Leben besonders schön und besonders traurig war und welche Wünsche er noch hat. Also eine ganz liebevolle, ehrliche und persönliche Geschichte. Ich fand es unerträglich, wenn seine früheren Gäste sich nicht um den Sterbenden kümmern und an seiner Verbrennung eine bigotte Versammlung abhalten.
Vor zwei Wochen versuchte ich, das Haus von Urs ausfindig zu machen. Luck sagte, ich soll nach einem orangen Haus hinter dem Bangkok Hospital suchen. Das tat ich und ich suchte auch vergeblich vor und hinter dem Tagesmarkt. In Erinnerung hatte ich das Lokal und links davon ein paar Tische in einem offenen Gartenbereich. Zweimal war ich mit Eddy und zweimal war ich mit Luck bei ihm und hatte ihm auf meinen Radtouren zwischendurch Guten Tag gesagt. Wir haben Geschnetzeltes, Fischfilet und Medaillons aufgetischt bekommen. Als ich mit Luck bei ihm war, sagte er freundlich, er will sich an einen entfernten Tisch setzen und rauchen. das würde uns weniger stören. Ich war beeindruckt von so viel Höflichkeit.
Da ich das Haus nicht fand, schrieb ich Eddy. Nein, es ist jetzt ein grünes Haus hinter dem Tagesmarkt.
Am 21.8.fuhr ich zusammen mit Luck dorthin. Der Freund und Lebensgefährte von Urs ist ein Thai namens Phom. Luck konnte sich also mit ihm verständigen. Er brachte uns zu Urs , der im ersten Stock in einem Zimmer im Bett lag. Ein Vollbart umrahmte sein hageres Gesicht. „Das mache ich, damit ich nicht so dünn aussehe.“
Ich sagt ihm, dass er damit sehr gut aussehe und wirke, wie ein weiser, alter Mann. Wir zeigten ihm Fotos, die ich von wunderbaren, alten Thai in Pakchong aufgenommen hatte und erklärten ihm meinen Interview-Plan. Den Text und die Fotos versprach ich, ihm zur Genehmigung vorher zu zeigen. Er willigte ohne weitere Fragen ein.
Da mein Aufnahmegerät nicht funktionierte, verschoben wir den Termin auf den 30.8.2017 um 15 Uhr. Bei einem Anruf am Vortag war er sehr freundlich und sagte, „Ich warte auf dich, ich bin hier.“
Zu vereinbarten Zeit war ich dort. Er kam im Rollstuhl nach unten und Phom servierte ihm einen gezuckerten Tee. Wir saßen in dem sehr aufwendig renovierten „Gartenbereich“. Alles sauber, Marmortische, bequeme Stühle und Öffnungszeiten von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends. Angeboten wurden Thai- und Faranggerichte. (großes Schnitzel mit Pommer und Salat für 245,- Baht!) Ich habe das Angebot schon früher als zu teuer empfunden.
Urs begann das Gespräch mit einem Angriff auf die früheren Gäste und Farangs in Pimpaka. „ich habe lange geschwiegen, das ist vorbei. Diese ganzen Verleumder und Lügner will ich nicht mehr sehen, auch nicht bei meiner Verbrennung. Ich bin total sauer. Früher war alles hier harmonisch. Ich weiss nicht welcher Teufel die Leute geritten hat, dass sie in Pimpaka und in Pakchong nur noch gegen einander sind und mich meiden und auch über mich schlecht reden…“
„Warum hast du sie nicht gefragt?“
„Dann kommen nur neue Lügen? Das will ich alles nicht wissen.“
„Was für Lügen?“
„Dass ich ein Verbrecher bin, alle betrüge und meine Kinder aufgehängt habe und so weiter.“
„Weisst du, lieber Urs, das kenne ich. Die Leute reden über mich, ohne dass sie jemals mit mir selbst geredet haben. Da muss man einen Schlussstrich ziehen.“
„Hab ich ja schon getan. Aber zu dir. Du bist ja auch so einer, der hier dauernd herkommt und nichts verzehrt. Das hier ist ein Restaurant. Wenn man hier herkommt, muss man essen und trinken. Das machst du nicht. Das hast du in der letzten Woche nicht gemacht und auch bei deinen vielen Besuchen früher. Du kommst nur zum Quatschen.“
Das sagte Urs mit kräftiger, lauter Stimme und stocherte mit seinem Zeigefinger vor meiner Nase herum. Als ich versuchte, zu beschwichtigen und ihm erklärte, weder mit Eddy noch mit Luck sei ich jemals in seinem Restaurant gewesen, ohne etwas zu essen oder zu trinken, steigerte er sich weiter in seine Wut hinein.
„Ihr könnt mir alle gestohlen bleiben, ich brauche euch nicht, ich habe genug Thai-Gäste und nach Pakchong kommende Ausländer, die mein Restaurant schätzen.“ Ich konnte mir die Bemerkung nicht verkneifen, „Ja, ich bin froh, noch einen freien Stuhl bekommen zu haben. Das war ja in der letzten Woche auch so brechend voll.“ (Ich habe auch bei unseren früheren Besuchen nie andere Gäste gesehen, außer einem Alki, der mittags schon nicht mehr das schlichte Wort „Hallo“ einwandfrei über die triefenden Lippen brachte.)
„Wir haben ein Restaurant. Hast du in deinem Restaurant in Deutschland dein Geld mit Gästen verdient, die reinkamen und nichts verzehrten?“
„Nein. Aber wenn jemand rein kam und nur Zeitung lesen, sich ausruhen, auf einen Freund warten oder auf die Toilette gehen wollte, waren wir nie sauer. Weil wir nicht geldgierig waren, sondern höflich, freundlich und gastlich, hatte das Lokal anscheint eine so positive Ausstrahlung, dass es immer brechend voll war.“
„Alles Unsinn. Wir sind auf Umsatz angewiesen wie jeder in der Gastronomie.“ Urs hatte sich seinen Backenbart abgeschnitten und ich blickte in ein gespenstig hohles Gesicht mit wütend funkelnden Augen, unterstützt von fuchtelnden Händen.
„Warum bestellst du nichts? Wir haben keine Armenspeisung!“
Ich wurde langsam wütend. „ich bin hierher gekommen, um einen schönen Bericht über dich zu schreiben. Das habe ich dir von einer Woche und eben noch Phom erklärt. Ich habe gar kein Geld dabei und will auch nichts trinken und essen. das habe ich vor zwei Stunden beim Mittagessen gemacht. Und zu einem Verzehr lasse ich mich nicht zwingen.“
Nun rastete der Herr Urs völlig aus. „Diu gehörst hier nicht hin. Mach dass du raus kommst, Du kannst verschwinden. Wer hierher kommt ohne etwas Geld in der Tasche zu haben, ist unerwünscht.“
Ich schaltete mein Aufnahmegerät ab, packte die Kamera ein und legte nun meinerseits mit enormer Lautstärke los: „Wenn du ein so unverschämt geldgeiler „Gastwirt“ bist, hast du keine AAhnung von Gastlichkeit und diese Bezeichnung nicht verdient! Wenn du wissen willst, warum die Farangs nicht mehr zu dir kommen und was sie über dich erzählen, dann fall nicht aus deinem Rollstuhl raus. Du bist eine miese Type, die weder ein leckeres Essen noch akzeptable Preise anbietet. Und bei deinen Geburtstags-, Weihnachts- und Sylvesterfeiern bekamen die Gäste, die gruppenweise da waren und nicht alles nachhalten konnten, angeblich extrem überhöhte Rechnungen. Mach weiter so, du verbitterter Idiot.“ Ich hatte den Eindruck, je mehr ich ihm auftischte und ihn anbrüllte, desto kleiner wurde er.
ich verließ die Lokalität, fuhr erschrocken und wütend über so viel Verbohrtheit und Geldgier nach Hause und schrieb diesen Kommentar. Und damit ist der kranke Urs bereits heute für mich gestorben.
Manfred Spies, 30.August 2017
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