Donnerstag, 24. September 2015

Thailand, Morde im Paradies oder in der Hölle?

Auf Koh Tao machten Luck und ich einen sehr schönen Urlaub. Fernab von Trubel in der Stadt und an den Touri-Stränden hatten wir natürlich nie Kontakt zur Polizei oder bekamen nie irgendwelche unerfreulichen Ereignisse mit. 
Wir kennen Horror-Geschichten über Polizisten auch aus Pakchong. Wir kennen aber auch sehr gewissenhaft arbeitende, gute Polizisten, denen wir helfen und sie unterstützen, wenn wir es können. (z.B. mit Alkohol-Testgeräten)

dpa-Bild aus der SZ vom 7.7.2017 zu Beginn des Mordprozesses

Was seit langer Zeit in Koh Samui über die Morde in Koh Tao an zwei englischen Touristen verhandelt wird, erfüllte mich zunehmend mit Schrecken, ja mit Abscheu. Nie wollte ich darüber etwas schreiben. Das können andere besser und gelassener.
Nun am Tag vor dem Abschluss der Beweisaufnahme möchte ich so einen Beitrag auf meine Seite setzen. Kommentarlos.


Sam Gruber, FARANG, 24.9.2015

KOH SAMUI: Die Verteidigung im Mordprozess von Koh Tao hat am Dienstag und Mittwoch mit Zeugen des ‚Central Institut of Forensic‘ (CIFS) sowie der Zuarbeit einer ausländischen gerichtsmedizinischen Expertin weitere schwere Zweifel an der Arbeit der thailändischen Polizeiermittler aufgerührt. Bis Freitag sollen zudem Hinweise dafür bekräftigt werden, dass die mutmaßlichen Doppelmörder Zaw Lin und Wai Phyo aus Myanmar durch Folter und Psychoterror zu ihren später widerrufenen Geständnissen genötigt worden sind.
Es scheint wie das Tauziehen um zwei ermordete junge britische Touristen – und das gleichzeitige Reißen am Tau des Lebens zweier burmesischer Angeklagter: Einen Tag vor dem offiziellen gerichtlichen Abschluss dieses Doppelmordfalles sitzen nicht nur die Angehörigen der am Sairee Strand von Koh Tao erschlagenen Hannah Witheridge und David Miller fassungslos im Gerichtssaal Nummer 6 des Provinzgerichtes Koh Samui. Längst hat keiner der Prozessbeobachter mehr den Glauben, dass nach diesem Verfahren und der unfassbar willkürlichen Ermittlungsarbeit der thailändischen Polizeibehörden jemals ein erhellendes Licht auf diesen grausamen Mord des 15. September 2014 geworfen werden kann.
Thailands unabhängige und weltweit anerkannte Forensikbehörde CIFS hat die Spurenuntersuchung nach dem Doppelmord an Hannah Witheridge und David Miller in vielen Punkten als dilettantisch, nicht nachvollziehbar, lückenhaft und unterschwellig sogar als einseitig bezeichnet. Die forensische Expertin Jane Taupin aus Australien – von der Verteidigung wegen ihrer 25 jährigen gerichtsmedizinischen Arbeit in Down Under und Großbritannien als unabhängige Beraterin hinzugezogen – lässt ebenso kein gutes Haar an der Polizeiarbeit auf Koh Tao und im Forensischen Institut der Polizei in Bangkok.
Fast alles sei falsch gemacht worden nach dem Fund der Leichen am frühen Morgen des 15. September 2014. Nur wenig kann heute bruchstückartig rekonstruiert werden, obwohl es hier um den Tod zweier unschuldiger Urlauber auf einer thailändischen Ferieninsel geht und auch um das Leben zweier 22 Jahre alter Gastarbeiter aus Myanmar, die auf Koh Tao als billige Hilfskräfte geschuftet hatten und für zwei Morde ihren Kopf hinhalten müssen, die sie möglicherweise nie begangen haben.
Signifikant unwohl stimmten regelmäßige Beobachter dieses seit 8. Juli andauernden Mordprozesses auf Koh Samui neben dem Ermittlungschaos die merkwürdig teilnahmslosen Zeugen der Anklage. Meistens waren es Polizeiermittler und gerichtsmedizinische Mitarbeiter des Forensischen Institutes der Polizei Bangkok, die ihren Auftritt hatten. Nicht einer davon hat bei genauerer Betrachtung auch nur ansatzweise nach internationalem Standard ermittelt und dokumentiert. Dazu kamen von den Ermittlungsbehörden eingesetzte burmesische Übersetzer. Auch hier konnte nicht ein einziger thailändisch lesen oder schreiben – geschweige denn zweifelsfreie Aussagen über die tatsächlichen Mordverhöre liefern. Das Bild war dunkel nach diesen Einlassungen der Anklage-Zeugen und es wurde nicht heller bis zum heutigen Prozesstag Nummer 20.
Weshalb eine mittlerweile zweifelsfrei als Mordwaffe identifizierte Gartenharke erst ein Jahr nach dem Mord plötzlich DNA-Spuren aufweist (keine DNA der Beschuldigten/die Redaktion) – nachgewiesen vom unabhängigen Central Institut of Forensic der Direktorin Dr. Pornthip Rojanasunand, warum Bekleidung der erschlagenen Hannah Witheridge niemals auf solche DNA untersucht worden ist, aus welchen Gründen die gesamte Dokumentation einer prozessrelevanten gerichtsmedizinischen Untersuchung von der Polizei gehandhabt worden ist wie das Umwühlen eines Kindersandkastens – diese Fragen muss das Gericht ins Kalkül ziehen. Wir alle haben 200 Stunden lang viel gehört und gelesen über diesen Doppelmord auf Koh Tao. In Erinnerung bleiben wird das Chaos dieser Ermittlung und ein nervenaufreibender Prozess, der am Ende mehr Fragen aufwirft als er Antworten geben konnte.
Morgen wird der letzte offizielle Tag der spektakulärsten Mordaufarbeitung in Koh Samuis Inselgeschichte in Szene gehen. Dieser Gerichtsfall hat auch offenbart, in welch grausam-zynischer Form lokale Familien auf Koh Tao ihre burmesischen Angestellten halten und wie wenig Geld und Lebensqualität ihnen nach 28 Arbeitstagen im Monat mit bis zu 20 Stunden für ihr jämmerliches Dasein verbleiben. Die Abhängigkeit vom thailändischen Immigrationssystem, das Migranten dritter Klasse nur geduldete Legalität ermöglicht, aber keinen menschenwürdigen Lebensstandard, spielt – so die Aussagen von Menschenrechtlern – hinein in das Umfeld dieses furchtbaren Schauplatzes.
Ein Doppelmord, eine Ermittlung, ein Verfahren, noch kein Urteil. Vielleicht können die drei Richter des Provinzgerichts Koh Samui bis Ende Oktober etwas wiederherstellen,  das dem  Glauben an Gerechtigkeit nahekommt. Zu beneiden sind der besonnene Vorsitzende Richter und seine zwei weiblichen Beisitzer nicht um ihre Aufgabe. Es dürfte die schwierigste Entscheidung sein, die thailändische Richter in der jüngeren Landesgeschichte treffen mussten. Es kann nach dieser Form einer ‚Ermittlung‘ kaum Gerechtigkeit geben, es wird wohl eher der Schlussstrich unter ETWAS sein, das viele ungeachtet des Ausgangs so zurücklässt, dass sie dieses Land mit seiner hier praktizierten Polizeiarbeit nicht mehr lächelnd wahrnehmen.

> Sam Gruber:
http://der-farang.com/de/author/sam



Manfred Spies, 25.9.2015

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