Freitag, 8. November 2019

Thailand: Leben, Sterben, Trauer, neues Leben

Leben und Sterben ist von Traditionen und damit von Ritualen geprägt. Diese hängen weitgehend mit Religionen zusammen. Taufe, Beschneidung, Hochzeit, Feiertage und Sterbezeremonien sind je nach Land und Ethnie sehr unterschiedlich. 
Manche betrachten die Gebräuche anderer Volksgruppen arrogant und herablassend, weil sie sie nicht verstehen oder verstehen wollen.
Anlässlich einer der vielen Beerdigungen in Thailand, zu denen mich meine Frau mitnahm, machte ich gestern ein Reportage und möchte ein wenig über das Geschehen erklären.

Lebendig in Thailand
Bis der Mensch sich aus seiner Unkenntnis, seinem Nichtwissen befreit, hält das Karma, also seine Taten, aber auch Gedanken, Absichten und Sehnsüchte, ihn in seinem Leid gefangen. 
Der Buddhismus sagt: Der Mensch kann sich aus seinem Leid befreien. Die vier edlen Wahrheiten und der achtfache Weg helfen dabei. 
Im Leben verschaffen dem Menschen gute Taten und ein achtsames Leben ein GUTES KARMA. Das ist für einen weniger leidvollen Weg nach einer Wiedergeburt hilfreich. Das Karma ist durch den Menschen beeinflussbar und nicht vorherbestimmt. Jeder übernimmt Verantwortung für sich selbst.

Sterben und Tod in Thailand.
Traditionell sterben die Menschen in der Familie. Dort sollten sie von Menschen umsorgt werden, denen sie im Leben vertraut und die sie geliebt haben. Das Gefühl der Geborgenheit und des liebevollen Friedens überträgt sich auf die Energien des Sterbenden, die nicht verloren gehen und bei der Wiedergeburt wirksam werden. 
Übrigens ist auch alles, was die Pflegenden für den Sterbenden an Positivem tun, gut für ihr eigenes Karma. Deshalb ist Dankbarkeit im Allgemeinen in hinduistisch und buddhistisch geprägten Ländern nicht so üblich, wie z.B. in Europa. „Warum soll ich vor Freude hüpfen mit Tränen der Dankbarkeit in meinen Augen, wenn die/der andere alles auch für sich selbst tut?“
Außerdem ist das Zeigen von Gefühlen - vor allem in der Öffentlichkeit -  in Thailand sowieso verpönt.

Der Stillstand der Atmung ist für Buddhisten nicht der Tod. In dem Leichnam sind vielmehr noch Energien vorhanden, und der Geist muss noch vier Phasen bis zur Auflösung durchlaufen. Der Körper des Verstorbenen sollte daher einige Zeit, drei Tage, völlig in Ruhe gelassen werden. Er soll nicht berührt werden; so sollten z. B. auch die Augen nicht zugedrückt werden, da damit die Sterbeprozesse beendet werden.

Das „Begräbnis“ gehört zu den buddhistischen Hauptzeremonien, da es den Übergang in die Zwischenwelten und die darauf folgende Wiedergeburt eröffnet.
Je nach Region werden andere Rituale, Zeremonien und Abschiednahmen durchgeführt, wobei die Stellung der Familie über den Rahmen entscheidet. Fast immer werden die Toten verbrannt. 


Je nach Stellung der Familie und je nach Bedeutung der/des Verstorbenen werden große oder kleinere Feiern veranstaltet.


Die Feierlichkeiten können mehrere Tage dauern. Bei der Abschiednahme stehen die Gäste zusammen, Sutras, die überlieferten Reden Buddhas, werden rezitiert und jeder soll sich an positive, gute Erlebnisse mit dem Verstorbenen erinnern. Zum einen, um dem Toten fröhliche, wertvolle Gedanken mitzugeben. Zum anderen als Reaktion an Stelle des Weinens. Dieses sollte vermieden werden.

Nach Schmerz und Trauer sehen die Totenfeiern in Thailand meist nicht als.

Diese Zeremonie des Abschiednehmens und der Verbrennung zeigen die Bilder meiner Reportage von gestern:

Thai-Krematorium: Ritueller Raum und Verbrennungsstätte mit Schornstein.

Nach den drei Tagen des Betens und der Besuche beim Aufgebarten fand die Kremation statt.
Es war eine kleine Freier in einem kleinen Dorf. Der Gestorbene war unverheiratet und hatte keine Kinder. Es kamen Verwandte und ein paar Freunde. Vertreten waren allerdings reichlich Tessabhan-Vertreter und Mitglieder der Abfall-Verwaltung.

Der Mann war von einem Müllwagen überfahren worden. Er reinigte hilfsbereit hinter dem Müllwagen herunter gefallenen Abfall. Die Müll-Mitarbeiter waren voraus gegangen zum nächsten Haus. Der Fahrer konnte nicht weiter, weil ein Hund auf der Straße lag und nicht wegging. Er wollte ausweichen und fuhr zurück. Den Helfer hinter d LKW sah er nicht.

Der Fahrer kam nicht zur Verbrennung. Er saß zuhause und weinte ununterbrochen. Die Ärzte machten sich Sorgen.

Zwischendurch sah es immer nach Regen aus.
Der Eingang zum Krematorium wurde noch geschmückt und Tische wurden vorbereitet.

Der Eingang zum Krematorium wurde noch geschmückt
und Tische wurden vorbereitet.



Der Eingang zum Krematorium wurde noch geschmückt
und Tisch wurden vorbereitet. Hier lagen als Dank für die Anteilnahme Geschenke
für die Trauergäste bereit.
 
Anfangs war es noch leer. Pünktlichkeit ist nicht die Leidenschaft der Thai.
Vorne gab es bequeme Sessel für die VIPs.


Später füllten sich die Stühle.

Verkäuferinnen von Glückslosen gab es ebenso wie in einer Ecke eine Gruppe Zocker.

Beerdigungen sind der einzige Anlass, wo illegales Glücksspiel gestattet wird. 

Als ich mich den auf dem Boden hockenden Spielern näherte, erhielt ich wütende Blicke. 

Hätte ich die Kamera gezückt, könnte meine Frau auch für mich gleich einen Krematoriums-Termin buchen.

Ich entdeckte bei den Losen mit vierstelligen Zahlen die Ziffern meines Alters und des Alters meiner Frau Luck. Also kaufte ich. Als es daraufhin spontan hell und die Anlage im Sonnenlicht geflutet wurde, wollten alle wissen, welche Zahlen ich hatte. Sie wollten auch Lose kaufen. Trotz des traurigen Anlasses lachten alle.
Das Gebäude im strahlenden Sonnenlicht


Nun wurde in einer Prozession zusammen mit dem Sarg die Anlage dreimal umrundet. Der Anführer der Umrundung streute aus einer Schale eine Art PopCorn aus getrocknetem Reis.


Danach wurde der weiße Sarg nach oben transportiert.

Die Verwandten gruppierten sich davor zu einem Erinnerungsfoto.
Kennen wir so etwas vor unseren Gräbern?

Vor dem Sarg wurde von einem Mönch ein Tisch postiert und mit Decken verkleidet.

Inzwischen waren auch die VIPs eingetroffen

Eine Art Zeremonienmeister hatte zusammen mit drei Vertreter/innen der Verwandtschaft an einem Geschenke/Spenden-Tisch Platz genommen. Es wurde ein wenig geredet und sich bedankt.
Sowohl bei Hochzeiten als auch bei Einäscherungen werden von allen Gästen und Besuchern Umschläge mit Geld abgegeben. Die Verwandten des Verunglückten sind Uni-Professoren, Lehrer oder leidende Bankangestellte. Sie legten noch viel Geld dazu, vermehrten ihr Karma und gaben alles Geld an Vertreter der Armen, Schulen, Kranken-  und Waisenhäuser. Das Gleiche taten die Vertreter der Verwaltung, deren hohe Entschädigungen und Hilfsgelder für den Verunglückten gespendet werden sollten. 

Außerdem wurde natürlich an den Tempel gespendet. Außer Geldspenden ist es üblich, die Mönchen mit neuen Kleidungsstücken zu versorgen, denn die gehen ja auch mal kaputt. Die Zeremonien dieser Übergaben dauerten lang. 

Die Verwandtschaftsvertreter und ein Helfer stellten sich neben das Krematorium und wurden ununterbrochen vom Gabentisch aus mit Umschlägen und Geschenken zur Weitergabe versorgt.

Natürlich wunde alles schön dokumentiert.


Danach brachte der Helfer die Geschenke für die Mönche nach oben an den vorbereiteten Tisch. Alles lief nach einer geübten Dramaturgie inszeniert und ritualisiert ab.


Die Mönche kamen nach und nach zum Empfang der Geschenke.

Die Mönche holten immer zu zweit ihre neuen Roben ab.

Ganz am Ende kamen wir dran. Rechts und links gingen wir die Treppen hinauf, legten Blüten in einen sargartigen Behälter, klopften an den Sarg mit dem Toten (ich streichelte ihn) und gingen die Haupttreppen hinunter, um uns evtl. am Tisch mit den Geschenken zu bedienen.


Danach wurde der Sarg in die Brennkammer geschoben und ich wartete auf den ersten Rauch. Dass ich ganz allein wartete, fand ich merkwürdig. Die Trauergemeinde löste sich sofort frohen Mutes auf, man fuhr nach Hause oder ging gemeinsam zum Essen. 


Ich erinnerte mich an den Anblick vor fast eineinhalb Stunden. Dann sah ich zuerst dünnen, schwarten Rauch, der sich nach einer Minute in dicken, schwarzen Qualm entwickelte. Das war wohl eine schecht eingestellte Ölfeuerung




Der Buddha nebenan hatte seine Hände der Situation entsprechend auf die Knie gelegt. Die linke Hand bedeutet "Ruhe und Muße". Die Rechte vermittelt "Gutes geben, Wünsche gewähren".


Mal wird die Asche in einem See oder im Meer verstreut. In anderen Fällen, wenn man es bezahlen kann, wird eine mehr oder weniger aufwendige Stupa auf einem Sammelplatz (Friedhof) errichtet und oft mit einem Bild versehen. 



See-Bestattung am Lam Takhong-Stausee

Totenfeier (natürlich mit den thai-üblichen, brüllenden Lautsprechern) und benachbartem "Friedhof".

Stupas auf "Friedhof"


Ein Bekannter von mir, Reiner Kerner, hat dieses Thema sehr informativ verbal in seinem Video behandelt.


Ich würde mich freuen, wenn diese Reportage ein paar neue Infos für euch beinhaltet. Wenn ihr es auch für eure Freunde interessant findet, könnt ihr den Beitrag gern verteilen.


Manfred Spies
Freitag, 8. November 2019

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